11-04-15 - Hst - Stadt Heilbronn - Liquidator berichtet von Tschernobyl

Vor 25 Jahren kam es in der Ukraine zur Katastrophe

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Heilbronn Ein Vierteljahrhundert nach der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl leidet Nikolai Bondar unter den Folgen. Anlässlich des 25. Jahrestags erzählte der ehemalige Liquidator bei einer Veranstaltung des Aktionsbündnisses Energiewende und der Volkshochschule Heilbronn von seinen Erfahrungen. Als 22-jähriger Reservist wurde Bondar zum Einsatz in Tschernobyl verpflichtet und zum Beladen von Hubschraubern eingeteilt. Als eine zweite Explosion befürchtet wurde, meldete er sich freiwillig zum Abpumpen von stark radioaktivem Wasser, „weil sonst 30 bis 40 Millionen Menschen im Umkreis von 500 Kilometern hätten sterben können“.

Strahlenkrankheit Bondar bekam Hautausschlag, den er zunächst für Sonnenbrand hielt. Erst später wurde ihm klar, dass es sich um Symptome der Strahlenkrankheit handelte. In der Folgezeit kamen bei vielen Betroffenen Krebserkrankungen hinzu. Von 353 Reservisten des Sonderbataillons sind heute nur noch 80 am Leben. Viele sind auf Pflege angewiesen. Bondar selbst ist herzkrank und leidet an 20 Krankheiten. Spürbare staatliche Unterstützung bekämen die geschätzten 850 000 Liquidatoren nicht.

Auf die Frage von Moderator Gottfried May-Stürmer wie Deutsche die Opfer unterstützen könnten, erklärte Bondar: auf keinen Fall über staatliche Stellen der Ukraine. Auch zu bestehenden Organisationen hätten die Liquidatoren kein Vertrauen, zu viel Geld werde „abgezweigt“. Die Opfer-Organisation „Sturmglocke“ dagegen versuche über Vortragsreisen, ein Netzwerk zur Unterstützung aufzubauen.

Im Einsatz Regina Stenger vom Initiativkreis „Hilfe für Kinder von Tschernobyl“ berichtete, wie regelmäßige Ferienaufenthalte für Kinder aus Weißrussland im Unterland ermöglicht wurden. Über die Anfänge der Gesellschaft für Strahlenmessung im Unterland (GfSU) sprach Walter Reusch: „Von der Regierung bekamen wir überhaupt keine Informationen über die Strahlenbelastung von Lebensmitteln. Darum begannen wir, selbst zu messen.“ Das teure Messgerät, das der Verein anschaffte, sei wochenweise in Privathaushalten gestanden und rund um die Uhr im Einsatz gewesen.

Der Arzt Franz Wagner vom Aktionsbündnis Energiewende Heilbronn, ebenfalls Zeitzeuge des Reaktorunglücks, sagte: „Atomkraft tötet täglich.“ Studien bewiesen mit „95-prozentiger Wahrscheinlichkeit“, dass Kinder in der Umgebung von Kernkraftwerken häufiger Krebs bekommen. Jod-Tabletten könnten nur das Schilddrüsenkrebs-Risiken reduzieren, sie seien aber kein Strahlenschutzmittel und keine wirksame Vorbeugung gegen andere Strahlenschäden. red

15.04.2011 - Heilbronner Stimme - Stadt Heilbronn