09-10-29 - ddp (BZ, u.a.) - Gegner machen mobil

In Neckarwestheim kündigen Atomkraft-Initiativen neuen Widerstand an

09-10-29_BZ_Gegner_machen_mobil.jpg

Nach der Bundestagswahl kommt neues Leben in die Anti-AKW-Bewegung. Die neue Bundesregierung will das Aus für Kernkraftwerke wieder kassieren, das treibt Gegner der Atomkraft auf die Barrikaden.

Viele Jahre hat Monika Knoll ihr Anti-Atomkraft-Engagement ruhen lassen. Nach aktiver Gegnerschaft in den 80er Jahren konzentrierte sich die heute 49 Jahre alte Heilbronnerin auf Familie und Kinder. Nach dem Beschluss des Atomausstiegs durch die rot-grüne Regierung habe sie "gerne geglaubt, dass wir das tatsächlich schaffen", erzählt sie. Von dem Glauben ist Knoll abgefallen - und ihre Kampfeslust ist neu erwacht. Sie mobilisiert gegen den Weiterbetrieb des Kraftwerks Neckarwestheim. Dort formiert sich seit der Bundestagswahl der Widerstand gegen Atomkraft.

Der Reaktor Neckarwestheim I war 1976 in Betrieb genommen worden und ist der zweitälteste der derzeit 17 produzierenden Atommeiler in Deutschland. Knoll gehört zu den Gründern der "Energiewende Heilbronn", die sich über regen Zulauf freut. Bis vor einigen Monaten seien die Atomgegner in Heilbronn "ein Häuflein von Einzelpersonen" gewesen, sagt sie. Mehrere Dutzend Aktivisten seien nun beigetreten.

Inzwischen verfüge die Initiative über ein gut vernetztes System, mit dem sich Aktionen organisieren ließen. Neue Aktionsformen wie Flashmobs, bei denen sich Aktivisten spontan übers Mobiltelefon oder Internet verabreden, wolle man künftig stärker nutzen. Ob beim "Anti-AKW-Sonntagsspaziergang" in Neckarwestheim oder bei einer atomkritischen Lesung im Land, Knoll ist mit ihrer "Energiewende" dabei.

Sozialarbeiter Wolfram Scheffbuch berichtet ebenfalls von mehr Zulauf der Anti-AKW-Bewegung durch den Regierungswechsel in Berlin. Der Sprecher des Bundes der Bürgerinitiativen Mittlerer Neckar (BBMN) engagiert sich seit Jahren gegen den Betrieb des Kernkraftwerks in Neckarwestheim. Schon beim ersten Treffen des BBMN nach der Bundestagswahl sei der Andrang deutlich größer gewesen als in den vergangenen Jahren.

Dass Laufzeiten für die Meiler unter der neuen CDU/FDP-Bundesregierung wieder verlängert werden sollen, sei für viele eine große Enttäuschung. In den Jahren zuvor waren Scheffbuchs Überzeugung nach viele Bürger nach dem Atomkonsens und der dezentralen Lagerung von Atommüll - und damit einer geringeren Anzahl von Castortransporten - besänftigt.

Der 43-Jährige hofft noch immer, dass zumindest Block I in Neckarwestheim wie ursprünglich geplant 2010 stillgelegt wird. Viele Unions- und FDP-Politiker in Berlin und Stuttgart seien nicht daran interessiert, dass die Proteste wieder aufflammten, vermutet er.

Die Mitstreiter der Anti-AKW-Bewegung kommen aus allen Altersschichten und Berufen. Ärzte, Polizisten, Landwirte, Verwaltungsangestellte, Studenten und Rentner seien darunter. "Sie alle fühlen sich von Politik und Stromkonzernen verschaukelt", sagt Knoll. Schließlich hätten die Energiekonzerne Ausstiegs-Verträge unterschrieben, hinter den Kulissen aber eifrig den Weiterbetrieb der Anlagen forciert.

Auch der Landesgeschäftsführer des Bundes für Umwelt und Naturschutz, Berthold Frieß, blickt mit Sorge nach Neckarwestheim. Er rechnet auch unter dem künftigen Ministerpräsidenten Stefan Mappus (CDU) mit einem "unverändert problematischen" atomfreundlichen Kurs der Landesregierung.

Sollte Block I am Netz bleiben, rechnen Knoll und Scheffbuch damit, dass "die Leute wieder auf die Straße" gehen. Dies trifft in Neckarwestheim selbst aber auf wenig Verständnis. In der wohlhabenden 3500-Seelen-Gemeinde ist die Mehrheit klar für den Weiterbetrieb. Laut Scheffbuch dulden mittlerweile nicht einmal mehr die Wirte Treffen der AKW-Gegner in ihren Lokalen. "Die bekommen Ärger mit den Leuten, die vom Betrieb der AKW profitieren", mutmaßt er. Dazu gehören neben Handwerksbetrieben etwa Pensionen, vor allem aber die Stadt. Laut Rathauschef Mario Dürr zahlt der Kraftwerksbetreiber ENBW etwa 80 Prozent der Gewerbesteuer. "Hinzu kommen etwa 250 Arbeitsplätze am Kraftwerk selbst und noch einmal soviel Mitarbeiter, die in Subunternehmen für die Anlage arbeiten." Die AKW-Gegner müssten akzeptieren, dass die Mehrheit CDU und FDP gewählt hat: "Es war klar, dass beide Parteien den Ausstieg rückgängig machen wollen."

29.10.2009 - Bietigheimer Zeitung - Stephen Wolf - DDP

Der DDP-Artikel erschien auch:

  • news-adhoc.com "Anti-AKW-Bewegung kämpft wieder gegen Neckarwestheim"
  • stuttgart.businesson.de "Anti-AKW-Bewegung mit Zulauf - Einheimische abner für Weiterbetrieb"
  • tagblatt.de "Gegner machen mobil" - "Neckarwestheim: Neuer Widerstand der Anti-AKW-Bewegung"
  • Staatsanzeiger BW: "Anti-AKW-Bewegung kämpft wieder gegen Neckarwestheim"
  • suedwest-aktiv.de: "Gegner machen mobil" - "In Neckarwestheim kündigen Atomkraft-Initiativen neuen Widerstand an"
  • aschaffenburg24.de: "Anti-AKW-Bewegung kämpft wieder gegen Neckarwestheim"
  • b2b-deutschland.de: "Anti-AKW-Bewegung kämpft wieder gegen Neckarwestheim"
  • strom-magazin.de: "Kampf gegen Neckerwestheim: AKW-Gegner haben regen zulauf"
  • de.news.yahoo.com: "Anti-AKW-Bewegung kämpft wieder gegen Neckarwestheim"