11-03-15 - Hst - Region Heilbronn - Sicherheit steht für alle an erster Stelle

Neckarwestheim - Atomkraftgegner fordern als Folge des Moratoriums: GKN I muss für immer vom Netz

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Von unserer Redaktion

Keine Jubelstimmung, dafür Trauer über das Geschehen in Japan, herrschte gestern Abend bei der Mahnwache auf dem Heilbronner Kiliansplatz. „Wenn es die Kanzlerin tatsächlich ernst meint, dann muss GKN I morgen abgeschaltet werden“, sagt Gottfried May-Stürmer vom BUND. „Das wäre die einzige Konsequenz.“ Für eine „Mogelpackung“ hält das Moratorium hingegen Franz Wagner von der Energiewende Heilbronn. Dass „ein paar alte Atommeiler“ abgeschaltet würden, sei nur „ein Bauernopfer, es müssen alle vom Netz“.

Die Ankündigung von Angela Merkel, Alt-Reaktoren wie GKN I beim dreimonatigen Moratorium zur Laufzeitverlängerung vom Netz zu nehmen, hört Wolfram Scheffbuch, Sprecher vom Bund der Bürgerinitiativen Mittlerer Neckar, auf dem Weg zur Mahnwache. „Das wäre, was wir uns wünschen.“ Die Dynamik der Ereignisse hat den Atomkraftgegner sehr überrascht. Er begrüßt es, dass die Politik auf die Atomkatastrophe in Japan reagiert. Aber: „Ein Moratorium ist zu wenig, Merkel will nur Ruhe vor der Wahl.“ GKN I dürfe nie wieder ans Netz gehen.

„Wenn GKN unsicher ist, muss es abgeschaltet werden“, bleibt der Heilbronner Landrat Detlef Piepenburg bei seiner früher schon geäußerten Haltung. Risiken könnten nicht gegen Wirtschaftlichkeit abgewogen werden. Es gehe um eine nüchterne Einschätzung: „Hat man bisher etwas übersehen? Werden nach Japan neue Maßstäbe angelegt?“ Die Folgefrage für GKN sei weniger die, woher stattdessen der Strom komme. Vielmehr diese: „Welche Kompensation gibt es für wegfallende Arbeitsplätze?“

„Sicherheit zuerst,“ diese Maßgabe im Atomkonzept müsse bestehen bleiben, sagt IHK-Hauptgeschäftsführer Heinrich Metzger. Sollte GKN I vom Netz gehen müssen, hält er höhere Strompreise für wahrscheinlich. Außerdem müsste die ausfallende Stromerzeugung über Kohlekraftwerke oder Stromzukäufe kompensiert werden.

„Das Thema wird sehr stark unter dem Gesichtspunkt Wahl betrachtet“, analysiert IHK-Präsident Thomas Philippiak. „Es wäre vernünftiger, die Untersuchungen abzuwarten, welche Kraftwerke sicher sind. Diejenigen, die nach den neuesten Erkenntnissen nicht sicher sind, sollte man danach nachrüsten.“

Vom Aus für den 34 Jahre alten Reaktor GKN I wären nach Betriebsratsangaben vom vergangenen Herbst 350 Mitarbeiter betroffen, sowie bis zu 200 Leute Fremdpersonal. In Block I würden 120 Jobs in den ersten 18 Monaten wegfallen, sagte damals GKN-Betriebsratsvorsitzender Franz Watzka, der gestern nicht erreichbar war.

Die regionale Verdi-Chefin Marianne Kugler-Wendt sagte: „Wenn GKN I wirklich abgeschaltet werden sollte, müssen wir für die Beschäftigten eine sozialverträgliche Lösung finden.“ Es gebe bereits Pläne für diesen Fall. Sie selbst aber habe keine Zweifel an der Sicherheit von GKN I, so die Gewerkschafterin.

Kein ausreichender Schutz vor Terroranschlägen und Abstürzen größerer Flugzeuge, in die Jahre gekommene Leittechnik oder MAterialalterung: Die Liste der GKN I vorgeworfenen Defizite ist lang und hatte die Diskussionen um die Zukunft des Meilers immer wieder angeheizt. Wolfgang Renneberg, von 1998 bis 2009 Leiter der Abteilung Reaktorsicherheit im Bundesumweltministerium (BMU), gehört zu den schärfsten Kritikern. Er argumentiert zum Beispiel, dass die Notstromversorgung von GKN I nicht dem heutigen Stand der technik entspreche. "GKN I verfügt darüber hinaus bei einem Störfall über geringere Kapazitäten an Kühlmittel und Kühlpumpen", schreibt Renneberg in einer sicherheitstechnischen Bewertung. Bei einem Erdbeben habe der Meiler eine verringerte Zuverlässigkeit bei der Störfallbeherrschung.

Der Betreiber EnBW verweist darauf, seit Inbetriebnahme mehr als 800 Millionen Euro in Nachrüstungen investiert zu haben. Die Anlage sei auf dem Stand der Technik. Das Landesumweltministerium sieht das im Prinzip genauso, hat gestern aber ein zweiköpfiges Expertenteam nach Neckarwestheim und Philipsburg geschickt. Laut Ministeriumssprecher Karl Franz sollen die Fachleute die Notstromversorgung untersuchen. Franz weist darauf hin, dass Agregate mehrfach vorhanden sind.

„Einen aufsichtlichen Besuch kommentieren wir nicht“, sagt EnBW-Pressesprecher Ulrich Schröder zur Visite des Expertenteams im GKN. Schröder geht davon aus, dass sich die Regierung kurzfristig mit dem Energiekonzern in Verbindung setzen wird. „Wir bieten einen offenen Dialog an“, so der EnBW-Vorstandsvorsitzende – ergebnisoffen. EnBW biete an, die Aspekte der Zukunft dieser „sicheren Anlagen“ zu diskutieren, als Basis für einen Konsens.

Der Heilbronner OB und Zeag-Aufsichtsrat Helmut Himmelsbach ist für eine „Analyse, völlig ergebnisoffen. Sollte die Konsequenz Stilllegung heißen, dann stilllegen. Sollte die Konsequenz Nachrüstung lauten, dann nachrüsten.“ Es müsse geprüft werden, ob das Katastrophenschutzszenario noch strenger weitergeschrieben werden müsse. bor, kin, iba, fur, jof, jüp, mfd

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Bildunterschrift erstes Bild: Die Menschenkette vom Kernkraftwerk in Neckarwestheim nach Stuttgart brachte am Samstag 60 000 Menschen auf die Straße. Foto: Andreas Veigel

Bildunterschrift zwei: Vor 14 Tagen drangen Greenpeace-Aktivisten aufs Gelände vor. Foto: Archiv/dpa

15.03.2011 - Heilbronner Stimme - Region Heilbronn