12-01-27 - SWP - Strahlenmüll im Salzstock

Heilbronn. Im abgebauten Salz bei Heilbronn liegt viel mehr schwach radioaktiver Müll als
bislang angenommen. Das halbstaatliche Unternehmen will künftig auf diesen Abfall in den unterirdischen Deponien verzichten.

Panikmache warf Heilbronns Oberbürgermeister Helmut Himmelsbach dem BUND, Grünen und Linken vor, als sie sich nach Abfall aus Atomkraftwerken im Salzbergwerk erkundigten. Himmelsbach, zugleich Mitglied des Aufsichtsrats der halbstaatlichen Aktiengesellschaft Südwestsalz (SWS), sah keinerlei Veranlassung, das Thema am "Runden Tisch" zu besprechen. Damit lag er exakt auf der Linie der CDU, deren Fraktionsvorsitzender Alexander Throm im April 2011 warnte, auf "marktschreierische und Angst schürende Äußerungen" hereinzufallen. Wenig später allerdings gab der SWS-Vorstand am 30. Mai 2011 bekannt, dass in der Untertagedeponie - "Kammer 26 Nord" - seit dem Jahr 2003 exakt 82 Fässer liegen, deren 19 Tonnen schwerer Inhalt "teils schwach radioaktiv" sei.

Die Kritiker, darunter die Stadträte Susanne Bay (Grüne) und Hasso Ehinger (Linke), wollten daraufhin ganz genau wissen, was wann und wo deponiert worden ist. Denn sowohl das
Salzbergwerk in Heilbronn als auch jenes in Bad Friedrichshall-Kochendorf dienen schon lange als unterirdische Müllkippe (siehe Info). Auf die Anfrage der Kommunalpolitiker listeten die Salzwerke einige Monate später alle Anlieferungen auf, die unter die Strahlenschutzverordnung fallen und "freigemessen", also für unbedenklich erklärt werden müssen. Dabei stellte sich heraus, dass sich 200 Meter unterhalb der Stadt Heilbronn statt der 19 Tonnen tatsächlich 2292 Tonnen befinden.

Dazu gehören Bauschutt, Metalle, Textilien aus den Atomkraftwerken Biblis, Gundremmingen und Philippsburg, ebenso Metalle aus dem Rückbau des Kernelementewerkes Nukem in Hanau. In das Bergwerk Kochendorf, für das bei einer Besichtigung durch den Gemeinderat von Bad Friedrichshall im Oktober 2010 noch "nichts drin" gemeldet worden war, sind seit 27. Mai 1998 insgesamt 295 000 Tonnen Schlacke, Bauschutt und Aushub gebracht worden. Es handelt sich dabei um "freigegebene Abfälle aus strahlenschutzrechtlicher Überwachung", heißt es im Papier einer Tochterfirma der Salzwerke.

Alles im Untergrund des Unterlands geschah zwar ohne Wissen der Öffentlichkeit, doch sämtliche Vorschriften und Grenzwerte wurden eingehalten. Rein rechtlich ist im Salz kein Atommüll. BUND-Geschäftsführer Gottfried May-Stürmer gab zwar zu, "es ist nichts Rechtswidriges passiert", aber es gebe "keine absolute Unbedenklichkeit". Moniert werden vor allem mangelnde Transparenz. Ehinger sprach von einer "schwierigen Suche nach der Wahrheit". Das offizielle Verhalten beschrieb Franz Wagner vom "Aktionsbündnis Energiewende" mit "vertuschen, verharmlosen, beschimpfen der kritischen Öffentlichkeit".

Die Geschäfte mit schwach radioaktiven Überresten sollen nicht mehr lange dauern. Die Salzwerke AG ließ mitteilen, dass fast alle Lieferverträge beendet seien, nur aus Philippsburg würden in den nächsten drei Jahren noch 450 Tonnen erwartet. "Für die Zukunft" gebe es keine Absicht, leere Stollen in Heilbronn und Kochendorf mit Abfällen zu füllen, die unter die Strahlenschutzverordnung fallen.

Die Kritiker fürchten jedoch, dass bei der Demontage der Atomkraftwerke so viel Stoff unterschiedlicher Radioaktivität anfällt, dass die leeren Kammern begehrt sein könnten. "Wachsamkeit ist angebracht", sagte Franz Wagner.

Bildunterschrift: Müllverladung in der Untertagedeponie im Salzbergwerk Heilbronn. Dort wurde auch tonnenweise schwach radioaktiver Abfall eingelagert. Foto: dpa

 27.01.2012 - Südwest-Presse - Hans Georg Frank