13-11-05 - netzfrauen - AKW Neckarwestheim: Radioaktive Strahlung ausgetreten – Warum wurde die Bevölkerung nicht vor der absehbaren Radioaktivitätssteigerung gewarnt?

Aus dem Atomkraftwerk Neckarwestheim (Landkreis Heilbronn) sind Ende Oktober radioaktive Strahlungen ausgetreten. Wie am Montag bekannt wurde, waren die Werte enorm angestiegen.

Nach einer Pressemitteilung des Energiewendekomittees Heibronn ist am 26.10. und 27.10.13 eine bis zu 23fach erhöhte Radioaktivitätsabgabe in Bequerel beim AKW Neckarwestheim gemessen worden. “Seit dem 26.10.2013 stieg die in die Luft „entsorgte“ Radioaktivität aus dem Block 2 des Atomkraftwerk Neckarwestheim massiv an, zeitweise bis auf das 23fache des Üblichen (auf bis zu 7,244 Milliarden Becquerel pro Stunde), und pendelt sich erst langsam wieder auf den „normalen“ Stand ein.”

Der Vorgang ereignete sich nach dem Wiederanfahren des Reaktorblock nach der Jahresrevision am 12.10.2013. Am 16.10.2013 war es schon zu einer Fehlfunktion der Steuerung des durch ein geschlossenes Vorschaltventil zum Nachkühl – und Notkühlsystems gekommen, das den Magneten-Austausch mit einer gebrauchten Charge erforderlich macht.

Am 23.10.13 wurde vom Mutterkonzern ENBW die Abschaltung auf den 25.10.213  mit dem Satz “Grund für diese Maßnahme ist, dass Messungen im Primärkreislauf der Anlage auf einen Brennelementdefekt hindeuten” angekündigt aber  von der Atomaufsicht im Umweltministerium  nicht mitgeteilt worden.

Das Umweltministerium bestätigte dem SWR, dass der Austausch eines defekten Brennelements der Grund für den Anstieg der radioaktiven Emissionen aus dem Atomkraftwerk Neckarwestheim 2 war.

Laut Umweltministerium habe aber zu keinem Zeitpunkt eine Gefahr für die Bürger bestanden. Der Austritt habe weniger als ein Prozent der Tagesmenge betragen, die für den Betrieb genehmigt sei.

Reaktordeckel wurde geöffnet

Der Betreiber, die Energie Baden-Württemberg AG (EnBW), hatte das Atomkraftwerk wegen des Verdachts auf einen Brennelemente-Defekt heruntergefahren und für Inspektion und Austausch des Brennelements den Reaktor-Druckbehälterdeckel geöffnet.

Aus der Pressemeldung von ENBW

Karlsruhe. Der Block II des Kernkraftwerks Neckarwestheim (GKN II) wird voraussichtlich am kommenden Freitag, 25. Oktober 2013, für Prüfarbeiten vorübergehend abgefahren. Dieser vorsorgliche Schritt entspricht dem sicherheitsgerichteten Verhalten der EnBW.

Grund für diese Maßnahme ist, dass Messungen im Primärkreislauf der Anlage auf einen Brennelementdefekt hindeuten. „Gemäß unserer Philosophie ‚Sicherheit vor Wirtschaftlichkeit’ nehmen wir GKN II vom Netz, um die eingesetzten Brennelemente zu überprüfen und gegebenenfalls einen Austausch vorzunehmen“, erklärt Christoph Heil, Technischer Geschäftsführer des Kernkraftwerks Neckarwestheim.

Eine Meldepflicht nach der Meldeverordnung (AtSMV) besteht nach aktueller Bewertung nicht.

Die Aufsichtsbehörde, das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg, ist über das Abfahren der Anlage informiert.

Der Block II des Kernkraftwerks Neckarwestheim ist ein Druckwasserreaktor mit einer elektrischen Leistung von 1.400 Megawatt. Die Anlage ging 1989 in Betrieb und hat im Jahr 2012 über elf Milliarden Kilowattstunden Strom produziert.

Aus der Pressemitteilung von 24.10.2013

24. Oktober 2013 Meldepflichtige Ereignisse

Kernkraftwerk Neckarwestheim: Verzögerte Aufhebung der Arretierung einer Armatur während der Revision von Block II

Während der am 12. Oktober 2013 beendeten Revision von Block II des Kernkraftwerks Neckarwestheim (GKN II) ist bei betrieblichen Prüfungen festgestellt worden, dass die revisionsbedingt vorgenommene Arretierung für eine Armatur nicht aufgehoben worden war. Die Armatur gehört zu einem Teilsystem, mit dem im Bedarfsfall Wasser in den Reaktorkühlkreislauf eingespeist werden kann. Noch vor dem Wiederanfahren der Anlage war die Arretierung im Zuge der betrieblichen Prüfung entfernt worden.

Die Arretierung war für Arbeiten während der Revision erforderlich. Im Anforderungsfall hätte die Arretierung allenfalls zu einer verzögerten Einspeisung in den Reaktorkühlkreislauf geführt. Der Befund hatte keine Auswirkungen auf Personen, auf die Umgebung und auf den Betrieb der Anlage.

Der Betreiber, die EnBW Kernkraft GmbH, hat die verzögerte Aufhebung der Arretierung fristgerecht der Aufsichtsbehörde gemeldet. Über die Bewertung des Sachverhalts und die Auslegung der Meldekriterien hat die EnBW Kernkraft GmbH in den vergangenen Tagen mit Aufsichtsbehörde und Gutachtern intensive Fachgespräche geführt. Das Ergebnis ist eine Einstufung des Befundes in die Kategorie E (Eilmeldung) gemäß der Atomrechtlichen Sicherheitsbeauftragten- und Meldeverordnung (AtSMV). Hinsichtlich der internationalen Skala zur sicherheitstechnischen Bewertung von Ereignissen in Kernkraftwerken (INES) erfolgt eine Einordnung nach INES 0 (keine oder geringe sicherheitstechnische Bedeutung), womit der Befund unterhalb der siebenstufigen Skala liegt.

Der Block II des Kernkraftwerks Neckarwestheim ist ein Druckwasserreaktor mit einer elektrischen Leistung von 1.400 Megawatt. Die Anlage ging 1989 in Betrieb und hat im Jahr 2012 über elf Milliarden Kilowattstunden Strom produziert.

Weitere Meldungen wurden auf der Homepage nicht verzeichnet.

Im Juli 2011 wurde der endgültige Atomausstieg in Deutschland beschlossen. Spätestens Ende 2022 geht  Neckarwestheim II das AKW vom Netz.

„Selbst die massive Erhöhung insbesondere am 27.10. ist noch von den laschen Tages- und Jahresgrenzwerten gedeckt“, beklagt Franz Wagner vom Aktionsbündnis Energiewende Heilbronn, „es ist ein Skandal, dass der Gesetzgeber in Form der Grenzwerte quasi festlegt, wie viel Krebs ein AKW erzeugen darf. Diese amtliche Verseuchungserlaubnis gilt auch anschließend für stillgelegte AKWs wie GKN Block 1 und erst recht für die schmutzigen Abrissarbeiten.“

Warum wurde die Bevölkerung nicht vor der absehbaren Radioaktivitätssteigerung gewarnt?

Netzfrau Doro Schreier

05.11.2013 - netzfrauen.org - Doro Schreier