Protest gegen die Jahrestagung Kerntechnik des deutschen Atomforums in Stuttgart

Pressemitteilung des Aktionsbündnis Atomforum abschalten

Atomkraftgegner haben heute (22.05.2012) anlässlich der in der Stuttgarter Liederhalle beginnenden „Jahrestagung Kerntechnik“ protestiert. Unter dem Motto "Atomforum abschalten" wurden die Teilnehmer des laut Eigenwerbung "größten Branchentreffens in Europa" schon mittags vor der Halle von Aktiven begrüßt. Zu der Melodie von "Spiel mir das Lied vom Tod" probten sie den jederzeit möglichen Ernstfall und fielen in einem Die-In wie tot um. Auf Tafeln war "Atomkraft - ist sicher - tödlich" zu lesen.

Am Abend bildeten dann 1.100 Teilnehmer vor der Stuttgarter Liederhalle einen Demonstrationszug. In Sichtweite des CDU-Büros liefen sie rückwärts um gegen die „Energiewende-Rückwärts“-Kapriolen der Bundesregierung zu protestieren und verlässliche Schritte hin zu einer dezentralen Energiewende in Bürgerhand zu fordern. Damit begrüßten die Atomkraftgegner symbolisch auch den neuen Bundesumweltminister Altmaier. Den Aufruf zu den Aktionen hatten die Organisatoren, ein Bündnis von Bürgerinitiativen aus der Region um Neckarwestheim, nach der Entlassung Röttgens in der Vorwoche geändert: "Wir bieten Nachhilfe in Energiewende, Herr Altmaier!"

Bei der Kundgebung auf dem Schlossplatz sprach Herbert Würth vom Aktionsbündnis CASTOR-Widerstand für die Neckarwestheimer Bürgerinitiativen: "Mit dem vereinbarten Atomausstieg haben die vier Energiekonzerne für 9 Atomkraftwerke eine Laufzeitgarantie von über einem Jahrzehnt erhalten. Statt Atomausstieg sofort und Energiewende jetzt gibt es fest vereinbarte Strommengen, die weit über die Abschalttermine hinausgehen. Diese können nach jeder der drei Bundestagswahlen bis 2022 verlängert werden. Dies ist kein Atomausstieg, sondern eine Mogelpackung.", und forderte, "Der Weiterbetrieb von Neckarwestheim 2 und allen weiteren 8 Atomkraftwerken ist unverantwortlich - Abschalten sofort!".

Für die Standortinitiativen rund um Morsleben, Asse, Gorleben und Schacht KONRAD führte Christina Albrecht folgendes aus: "Das momentan von Politikern diskutierte Endlagersuchgesetz verspricht einen Neuanfang in der Endlagerdebatte. Tatsächlich bedeutet die entsprechende Gesetzesvorlage aber eine unreflektierte Fortführung der bisherigen Endlagerpolitik. Dabei hat genau diese Politik zu den katastrophal gescheiterten Endlager-Versuchen Asse und Morsleben geführt. Wir fordern deshalb den sofortigen Stopp der weiteren Atommüllproduktion, eine gesellschaftliche Debatte zum weiteren Umgang mit Atommüll, die Aufarbeitung der Fehler der Vergangenheit in Politik und Wissenschaft sowie die Streichung von Gorleben und Konrad von der Liste möglicher Standorte. Erst auf dieser Grundlage lässt sich sinnvoll über Standorte für den langfristigen Verbleib des gefährlichen Mülls diskutieren."

Henrik Paulitz, Fachreferent für Atomenergie und Erneuerbare Energien der Ärzte-Initiative IPPNW, erklärte: "Das ganz offen erklärte Ziel der Politik zahlreicher Bundesparteien und der Bundesregierung, den Ausbau der Solarstromerzeugung massiv zu begrenzen, ist trotz gegenteiliger Rhetorik nichts anderes als ein Angriff auf die sehr erfolgreich laufende Energiewende in Bürgerhand. Schon jetzt speisen die Photovoltaik-Anlagen der Bürgerinnen und Bürger zeitweise mehr Strom in die deutschen Netze ein als die Atomkraftwerke und verdrängen so den Atomstrom der EnBW und der anderen Energiekonzerne. Die Energiewende in Bürgerhand wird aber nur noch schwer aufzuhalten sein, weil inzwischen fast alle Bürgermeister und Landräte wissen, dass sie auf kommunale und bürgereigene Energie setzen müssen, wenn sie ihre Kommunalfinanzen in den Griff bekommen und schwarze Zahlen schreiben wollen. Die Macht der Atomkonzerne schwindet im sonnenreichen Deutschland Tag für Tag mehr und das ist gut so."

Auch die Vorkämpferin der Stuttgarter Aktion Stadtwerke, Barbara Kern, ergriff für die Demokratisierung der Energieversorgung in Bürgerhand das Wort: "Mit Ablauf der EnBW-Konzessionen für Wasser, Strom, Gas und Fernwärme hat Stuttgart die einmalige Chance, seine Versorgungsgrundlagen aus dem Griff der zentralistischen EnBW zu befreien. Die Gestaltungsmacht muss zurück in die Kommunen, damit der Zerstörung profitorientierter Konzerne Einhalt geboten wird. Nur Stuttgarts Bürger, als Tüftler weltweit bekannt, können die dezentrale Energiewende im Interesse von Mensch und Natur vorantreiben."

Mit dem Vorurteil alle direkten Anwohner von Atomkraftwerken seien unbesorgt räumte die Neckarwestheimer Punk-Rock-Band "Glyzerin" auf. In ihrem Stück "Wir sagen nein" heißt es: "Initiativen gibt es niemals zu viel - Wir wolln das Ende der Atomindustrie - Wir sagen nein wir haben genug - Schluss mit dem Betrug.  Störfall! In Block 2 des GKN - nicht nur einmal es wird sich immer wiederholen - Weit und breit kein Ende in Sicht - Raus auf die Straße wir warten länger nicht."

1.100 Fachleute der von Nachwuchssorgen geplagten Atomindustrie tagen vom 22. bis 25.5. in der Stuttgarter Liederhalle. Sie wollen hinter verschlossenen Türen die Atomkraft als integralen Bestandteil der europäischen und internationalen Energieversorgung erhalten und Gorleben als Endlager durchsetzen. Wichtige Programmpunkte wurden allerdings bereits im Vorfeld abgesagt. So findet der "Kernenergie Campus" nicht statt: Schulklassen der Oberstufe aus der Umgebung von Stuttgart und Studienanfängern sollten Informationen zu Studienmöglichkeiten und möglichen beruflichen Betätigungsfeldern in der Kerntechnik geboten werden. Ein Besuch des Karlsruher Institut für Technologie fällt ebenso aus wie eine Führung durch die Staatsgalerie Stuttgart und eine Stadtrundfahrt.

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