11-03-25 - StZ - Aufregung über angeblichen Atommüll

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Heilbronn Im Salzbergwerk lagern leicht strahlende Abfälle - das ist bekannt, sorgt jetzt aber für Ärger. Von Brigitte Fritz-Kador

Als Hasso Ehinger, Stadtrat der Linken im Heilbronner Gemeinderat, eine Anfrage an die Stadtverwaltung richtete, ob in den Stollen des Salzbergwerkes tatsächlich kein Atommüll lagere, da war der Name des japanischen Atomkraftwerks Fukushima noch nicht in aller Munde - und niemand hätte gedacht, dass die Laufzeitverlängerung für deutsche Atomkraftwerke ausgerechnet von den "Verlängerern" gekippt werden würde. Dass die Antwort auf Ehingers Anfrage jetzt so viel Wirbel macht, verärgert den Heilbronner OB Helmut Himmelsbach als Mitglied des Südwestsalz-Aufsichtsrates (SWS), alternierend mit einem Vertreter des Landes dessen Vorsitzender, ebenso wie den Vorstandsvorsitzenden der SWS, Ekkehard Schneider.

Ein nicht unerheblicher Teil der Geschäfte der Südwestsalz Heilbronn (SWS), deren Aktien fast vollständig und je zur Hälfte im Besitz des Landes und der Stadt Heilbronn sind, basiert auf der Einlagerung von Sondermüll, der hier gepresst und in spezieller "Verarbeitung" gelagert wird. Immer wieder hatten bereits in der Vergangenheit Bürger gefragt, ob die Heilbronner Salzstollen sicher seien - immer dann, wenn anderswo Probleme mit der Lagerung von Atommüll auftraten. Die Antwort der SWS lautete stets, es werde kein atomar belasteter Müll eingelagert, schon deshalb nicht, weil die Stollen unter Tage zwischen Heilbronn und Bad Friedrichshall dafür auch gar nicht geeignet wären.

Nach der Strahlenschutzverordnung kein Atommüll

Nun aber hat die Antwort, die Ehinger erhalten hat, doch wieder Fragen aufgeworfen - vor allem beim BUND, der mit dem Aktionsbündnis Energiewende Heilbronn und der Partei Die Linke mitteilte, dass in der Untertagedeponie doch schwach radioaktiver Müll eingelagert sei. Seit 2003 befinden sich 82 Fässer mit 17,5 Tonnen an schwach radioaktiven Abfällen der Krefelder Firma Siempelkamp im Salzbergwerk. Die Abfälle stammen aus Kernschmelzversuchen, mit denen das Sicherheitskonzept für den Europäischen Druckwasserreaktor (EPR) - eine Entwicklung von Siemens und einer französischen Firma - erprobt worden war.

Da bei diesen Abfällen die Grenzwerte für die Freigabe zur Ablagerung unterschritten werden, handelt es sich nach den Vorgaben der Strahlenschutzverordnung nicht um Atommüll.

Darauf - und auf ein ebenso umfangreiches und korrektes Genehmigungsverfahren für die Einlagerung berufen sich sowohl der Vorstandsvorsitzende Schneider als auch Himmelsbach. Schneider sagt: "Diese Ordnungsmäßigkeit haben auch die Kritiker bestätigt und die Gegner anerkannt - das ehrt sie." Heikel sei aber die Tatsache, dass es jetzt hochkomme. Denn so werde suggeriert, die SWS lagere möglicherweise Atommüll aus Neckarwestheim ein und die Stadt Heilbronn reiche den bösen Buben bei der SWS die Hand. Schneider nennt das "falsch, unverantwortlich und infam", weil es die Bevölkerung verunsichere.

Geradezu zornig reagierte auch Himmelsbach auf die "Enthüllung". Er teilte mit: "Der ganze Vorgang hat sich im rechtlich zulässigen Rahmen abgespielt und entbehrt jeglicher Dramatik." Die "Aussagen aus Umweltkreisen sowie des Stadtrats Ehinger seien fahrlässig, gerade vor den tragischen Ereignissen in Japan. Es sei " geradezu abstrus" anzunehmen, das Heilbronner Salzbergwerk werde heimlich zum atomaren Endlager ausgebaut, sagt der OB.

Ganz anders sieht das Franz Wagner vom Aktionsbündnis Energiewende Heilbronn: "54 Millionen Becquerel an Strahlenbelastung sind eine ganze Menge - auch wenn es sich nicht um Atommüll im rechtlichen Sinn handelt." Ob auch künftig ähnliche Abfallstoffe eingelagert würden, fragt er. Schneider verweist darauf, dass in jedem Fall eine Einzelgenehmigung eingeholt werden müsse: "Wir würden das aber sehr genau überlegen und nicht unbedingt den Antrag wieder stellen. Jede Materie strahlt - es geht immer um Schwellenwerte, die der Gesetzgeber stellt." Aufregender findet Schneider indes, wie derzeit in Neckarwestheim der Atommüll gelagert wird: Übertag in Gebäuden.

Hintergrund: Erst Quecksilberrückstände, dann Sondermüll

Einschränkung Laut BUND sind seit 1985 nur quecksilberhaltige Rückstände (der Firma Höchst) aus der Verarbeitung des Heilbronner Steinsalzes eingelagert worden - aus Sorge um den Absatz des Salzes. Das Regierungspräsidium Stuttgart hat danach verfügt, dass Rauchgasreinigungsrückstände der Müllverbrennungsanlagen Stuttgart, Mannheim und Göppingen eingelagert werden müssen.

Erweiterung 1998 wurde die Liste der Abfälle auf rund 240 Arten erweitert, einschließlich hochgiftigem Sondermüll. Nicht eingelagert werden dürfen seitdem flüssige und gasförmige, infektiöse, brennbare, penetrant riechende, auspressbare und radioaktive Abfälle - nach den Freigabe-Grenzwerten der jeweils gültigen Strahlenschutzverordnung.

Bildunterschrift: Blick in die Stollen der Südwestsalz - dass hier schwach radioaktiver Müll gelagert wird, empört alle Beteiligten. Foto: SWS

25.03.2011 - Stuttgarter Zeitung - Brigitte Fritz-Kador