09-12-18 - Hst - Frühzeitige Information soll Panik verhindern

Neckarwestheim Für Notfall im Atomkraftwerk liegen detaillierte Evakuierungspläne vor – Zweifel an Umsetzbarkeit

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Ein Störfall im GKN, Radioaktivität droht zur Gefahr für Menschen und Tiere zu werden. Für diesen zwar unwahrscheinlichen, aber möglichen Fall liegen detaillierte Pläne vor, welche Behörden zu informieren sind, wer über die Alarmstufen entscheiden darf. Rund um das Kernkraftwerk können Evakuierungen angeordnet werden. Bricht Panik unter der Bevölkerung aus, ist allerdings fraglich, ob solche Maßnahmen umgesetzt werden können. SPD-Landtagsabgeordnete bewerten die Notfallpläne für das GKN negativ.

Kommt es in den Reaktoren zu gefährlichen Problemen, müssen Regierungspräsident, Polizeipräsident und andere Behördenleiter informiert werden. „Der erste Verantwortliche, der zu erreichen ist, entscheidet über die Qualität des Alarms“, erklärt Hans-Eugen Zimmermann, im Landratsamt zuständig für den Katastrophenschutz. Die Palette reicht von der informellen Ebene bis zum Katastrophenalarm. Das Regierungspräsidium kann zudem bestimmen, dass die Bewohner von Städten und Gemeinden ihre Häuser verlassen müssen. In dem Teil der Evakuierungszone, der im Landkreis Heilbronn liegt, leben über 50 000 Menschen.

Fluchtziel Doch wohin sollen diese Bürger flüchten? Auch darauf gibt der Notfallplan eine Antwort. Die Neckarwestheimer sollen nach Dörzbach, die Lauffener nach Schwäbisch Hall, die Fleiner nach Künzelsau, die Horkheimer nach Nürtingen. Zimmermann geht davon aus, dass die meisten Menschen – alarmiert von Sirenen und informiert vom Rundfunk – sich selbst behelfen und die eigenen Autos nutzen. Buskapazitäten seien in eingeschränkter Kapazität vorhanden. „Das Tempo der Evakuierung hängt von der Entwicklung im Reaktor ab“, sagt Zimmermann. Um Bewohner von Alten- und Pflegeheimen zu retten, stehe der Sanitäts- und Betreuungsdienst des Landkreises zur Verfügung. Laut Zimmermann sind das etwa 200 Helfer.

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Doch was geschieht, wenn die Katastrophenschützer keine Vorlaufzeit haben, weil durch eine Explosion oder den Aufprall eines Flugzeugs Radioaktivität plötzlich austritt? „Eine Panik wäre wohl nicht in den Griff zu bekommen“, meint Zimmermann – zumal ehrenamtliche Helfer kaum in verstrahltes Gebiet geschickt werden könnten. Ein Sprecher des Regierungspräsidiums (RP) betont: Sinn der Notfallplanungen und der Information der Bürger sei es gerade, Panik im Ernstfall zu verhindern. Die EnBW hat zusammen mit den zuständigen Behörden eine Broschüre erarbeitet. Sie wurde 2003 an alle Haushalte in der Umgebung des GKN verteilt und ist in den Rathäusern der umliegenden Gemeinden zu bekommen. Eine Neuauflage ist in Arbeit.

Mit einer Notfallübung hat das Aktionsbündnis Energiewende Heilbronn am Wochenende auf die Probleme des Einsatzplans aufmerksam gemacht. Ein Aufklärungsdefizit sieht auch Hans-Eugen Zimmermann. „Uns wäre daran gelegen, wenn sich die Bürger mehr informieren würden.“ Schlechte Noten geben die SPD-Landtagsabgeordneten Reinhold Gall (Obersulm) und Ingo Rust (Abstatt) den Notfallplänen. Es bleibe offen, wie und durch wen ganze Gemeinden evakuiert werden sollten. Zudem hatten die Politiker Fehler in der Zuordnung von Ortsteilen gefunden. „Wie soll man in so eine Planung und erst recht in die Umsetzung Vertrauen haben“, fragen Gall und Rust.

Gefahren

Welche Konsequenzen ein katastrophaler Unfall im Neckarwestheimer Atomkraftwerk hätte, hängt von vielen unterschiedlichen Faktoren ab: Windrichtung und -stärke, Art und Menge der freigesetzten radioaktiven Stoffe oder Niederschläge sind nur Beispiele. Bei einem Unfall der höchsten Meldestufe geht das Stuttgarter Innenministerium davon aus, dass akute Gesundheitsschäden und Spätschäden in großen Gebieten und gegebenenfalls in mehr als einem Land zu erwarten sind. Außerdem seien langfristige Umweltschäden wahrscheinlich.

Jod-Tabletten

Menschen bis zum Alter von 45 Jahren können im Notfall Jod-Tabletten einnehmen, um sich zu schützen. In einem Umkreis von zehn Kilometern um die Reaktoren hat das Landratsamt Heilbronn Tabletten für die Bürger zur Verfügung gestellt. Laut Hans-Eugen Zimmermann nahmen nur rund 20 Prozent der Bürger dieses Angebot wahr. Bei den Kommunen sind Tabletten eingelagert.

Info

Der Notfallplan kann im Landratsamt eingesehen werden, die EnBW-Broschüre im Internet unter: www.rp.baden-wuerttemberg.de . Forum: www.stimme.de .

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Bildunterschrift: Eine Strahlenschutzübung organisierte das Regierungspräsidium Stuttgart im Februar dieses Jahres in Brackenheim.

18.12.2009 - Heilbronner Stimme - Region Heilbronn - Reto Bosch