12-01-28 - SZ - BW - Atomarer Abfall im Salzbergwerk erhizt die Gemüter

Heilbronn Umweltschützer werfen dem Betreiber Heimlichtuerei bei der Lagerung schwachstrahlenden Mülls vor. Von Brigitte Fritz-Kador

Die Nachricht als solche ist nicht neu. In den Salzbergwerken Heilbronn und Kochendorf lagern 2300 Tonnen schwach radioaktive Abfälle, unter anderem aus den Atomkraftwerken Biblis, Gundremmingen und Philippsburg. In den nächsten drei Jahren kommen noch weitere rund 450 Tonnen aus Philippsburg hinzu. Allein im Salzbergwerk Kochendorf wurden mehr als 100 000 Tonnen Bauschutt und Aushubmaterial aus dem Hanauer Brennelementewerk der Nukem GmbH beziehungsweise der Siemens AG eingelagert. Diese Menge soll nun rund hundertfach größer sein als bisher bekannt - und das ist offenbar auch legal.

Diese neue Zahl, vor allem aber die nach Ansicht der Kritiker zögerliche Informationspolitik des Heilbronner Rathauses war das Thema einer Pressekonferenz, zu der der Regionalverband des Bund, das Aktionsbündnis Energiewende Heilbronn, die Fraktion der Grünen im Gemeinderat und Hasso Ehinger als Stadtrat der Linken gebeten hatten. Der Vorwurf: man habe über ein Jahr lang auf seine Nachfragen keine Antwort erhalten. Die Besitzer sind die Südwestdeutschen Salzwerke AG, die der Stadt Heilbronn und dem Land gehören.

Klartext redete Franz Wagner vom Bündnis Energiewende. Er beklagte ein „Beschimpfen” der kritischen Öffentlichkeit, man „vertusche” und „verharmlose”. Aber auch Oberbürgermeister Helmut Himmelsbach wurde deutlich. Er teilt sich alternierend den Aufsichtsratsvorsitz der Südwestsalz mit einem Vertreter der Landesregierung. An den Vorwürfen sei nichts dran, er habe stets wahrheitsgemäß und sachbezogen geantwortet. Auch die Behauptung, er habe einen Runden Tisch verboten oder verhindert, sei unwahr.

In die Aufgeregtheit spielt auch immer wieder die Begriffsverwirrung um „radioaktiven Müll” hinein. Himmelsbach sagte, er befürchte eine Verunsicherung der Bevölkerung. Dass von den Einlagerungen eine Gefahr ausgeht, darauf beharrten noch nicht einmal die Atomkraftgegner. „Rechtlich gesehen handelt es sich nicht um Atommüll, und die Salzbergwerke werden durch die jetzt bekannt gewordenen Einlagerungen nicht zu Atommülldeponien”, stellte Bund-Geschäftsführer Gottfried May-Stürmer klar, „die Bevölkerung hat jedoch ein Recht auf Information, wenn hier leicht radioaktive Abfälle aus drei Atomkraftwerken und einer Brennelementfabrik eingelagert werden.”

Das Planfeststellungsverfahren für die Deponie im Salzwerk sei noch unter seinem Vorgänger öffentlich durch den Gemeinderat gegangen, sagte Himmelsbach. Es gäbe deshalb keinen Grund, nun jede neue Einlagerung zu veröffentlichen, wenn sie den damals festgelegten geltenden Bestimmungen entspräche. Der Bund und seine Verbündeten gingen aber genau deshalb an die Öffentlichkeit und kritisierten gemeinsam, dass die genannten erheblichen Mengen leicht radioaktiver Abfälle ohne Information der Bevölkerung und des Gemeinderats in die beiden Salzbergwerke gebracht wurden.

Die Abfälle wurden alle bei der strahlenschutzrechtlichen Überprüfung als schwach radioaktiv eingestuft und entsprechen der erlaubten gesetzlichen Norm für die Einlagerung. Um welche Stoffe es sich handelt und woher sie kommen, das hat das Salzwerk vor einiger Zeit penibel aufgelistet. Susanne Bay, Vorsitzende der Heilbronner Gemeinderatsfraktion der Grünen, zitierte aus einem Antwortschreiben der Firma: „Dort wird erklärt, in Zukunft sei nicht mehr beabsichtigt, weitere Mengen an freigemessenen Abfällen in der Untertagedeponie Heilbronn einzulagern oder im Bergwerk Kochendorf zu versetzen.”

Die laufenden Verträge werden allerdings noch erfüllt. Und was dann? OB Himmelsbach erklärt, dann sei Schluss. Es gäbe genügend Anfragen anderer nach der Deponie. Die Einlagerung von Müll ist ein gutes Geschäft: 2010 setzte das Unternehmen in der Entsorgungssparte über 35,9 Millionen Euro um. Beim Salzverkauf waren es 52,3 Millionen Euro.

FRITZ

28.01.2012 - Stuttgarter Zeitung - Baden-Württemberg - Brigitte Fritz-Kador