15-10-28 - Hst - Region Heilbronn - Ausstieg aus der Atom-Kommission

NECKARWESTHEIM Bürgerinitiativen kritisieren Arbeitsweise des Gremiums und bezeichnen dieses als Feigenblatt

Von unserem Redakteur Reto Bosch

Die atomkritischen Bürgerinitiativen haben sich aus der GKN-Infokommission zurückgezogen. Franz Wagner erklärte am Montagabend: „Wir wollen nicht länger als Feigenblatt dienen.“ Der Bund der Bürgerinitiativen Mittlerer Neckar (BBMN) kritisiert, dass die Kommission nur dem Zweck diene, „den weiteren Betrieb von GKN II bis Anfang 2023 möglichst geräuscharm zu unterstützen“. Jürgen Hellgardt, Vertreter des BUND und weiterer Naturschutzverbände, will nur dann weitermachen, wenn sich die Arbeitsweise der Infokommission verändert. Wie es mit dem Gremium weitergeht, ist unklar.

Im Juli 2012 war Umweltminister Franz Untersteller nach Neckarwestheim gereist. In der Reblandhalle trat zum ersten Mal die von ihm initiierte Kommission zusammen. Mehr als drei Jahre später steht das Gremium am Scheideweg. BBMN-Aktivist Franz Wagner machte am Montagabend vor der Reblandhalle die Haltung der Bürgerinitiativen klar. „Wir steigen aus.“ Der BBMN sei mit der Atompolitik in Baden-Württemberg nicht einverstanden. Er sprach von „organisierter Verantwortungslosigkeit“.

In der Kommission, argumentierte Wagner, seien atomkritische Bürger unterrepräsentiert. Bürgermeister, Landräte und Abgeordnete stellten zwölf von 17 Mitgliedern. „Wir haben versucht, die inhaltliche Arbeit voranzubringen. Wir mussten aber erleben, dass von uns lediglich Zustimmung zu den Vorstellungen des Betreibers und des Umweltministeriums erwartet wurde. Kritische Beiträge waren nicht erwünscht“, meinte BBMN-Mann Hans Heydemann. Zudem seien immer wieder Anträge der Bürgerinitiativen abgelehnt worden, ergänzte Albrecht Klumpp. Er hat bereits im Sommer Wolfram Scheffbuch als Sprecher des BBMN abgelöst. Kommuniziert wurde dieser Führungswechsel für die Öffentlichkeit nicht. Wagner und Scheffbuch versicherten auf Stimme-Nachfrage, dass die Veränderung allein persönliche Gründe habe und nichts mit dem Kurswechsel des BBMN zu tun habe. Die Bürgerinitiativen führen eine Reihe von Gründen für ihre Entscheidung an. Die Sitzungen fänden an einem abgelegenen Ort statt, die Stadt Heilbronn sei nicht beteiligt, es gebe kein Honorar für unabhängige Referenten, Zuhörerfragen seien verboten. In eine ähnliche Richtung zielt die Kritik von Jürgen Hellgardt. „Der BUND hält eine weitere Mitarbeit nur unter bestimmten Bedingungen für sinnvoll.“ Die großen Städte im Nahbereich von GKN, also Stuttgart und Heilbronn, müssten einbezogen werden. Nötig seien Tagungsorte, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut zu erreichen sind. Ein Fragerecht für Bürger hält Hellgardt für notwendig, zudem ein Budget für Experten, die von den Atomkraftgegnern vorgeschlagen werden. Und: „Wir erwarten inhaltliche Antworten an Stelle von offensichtlich zwischen Aufsichtsbehörde und Betreibern abgesprochenen Statements.“

Vorwurf Dieser Vorwurf brachte Thomas Wildermann vom Umweltministerium in Rage. „Dafür will ich einen Beweis.“ Selbstverständlich erarbeite die Atomaufsicht ihre Vorträge selbst. Gerrit Niehaus, Abteilungsleiter Atomaufsicht im Umweltministerium: „Wir bedauern den Schritt der Bürgerinitiativen.“ Es seien in den drei Jahren viele Informationen geflossen. Ziel sei, fachliche, aber nicht politische Diskussionen zu führen. Die Anregungen von Hellgardt seien diskussionswürdig.

Die Landtagsabgeordneten Daniel Renkonen (Grüne) und Thomas Reusch-Frey (SPD) reagierten mit Unverständnis auf den BBMN-Ausstieg. Der Sitzungsleiter, Landrat Detlef Piepenburg, sagte: „Wir haben hier viele Themen auf fachlich hohem Niveau behandelt.“ Er bat die Mitglieder, zu den Forderungen des BUND schriftlich Stellung zu nehmen. Ein neuer Sitzungstermin wurde nicht vereinbart.

Kommentar „Falsch“

Kommission

Die 17-köpfige GKN-Infokommission besteht laut Geschäftsordnung aus den Landräten der Landkreise Heilbronn und Ludwigsburg, Bürgermeistern, Landtagsabgeordneten aller Fraktionen, zwei Vertretern der örtlichen Bürgerinitiativen, einem Mitglied der Umweltverbände, einem Vertreter der Gewerkschaften und einem Vertreter der Wirtschaftsverbände. Pro Jahr soll es mindestens drei Sitzungen geben. red

Bildunterschrift 1: Ein Foto von der ersten Sitzung im Jahr 2012. Heute ist Wolfram Scheffbuch vom BBMN (rechts) schon ausgestiegen, Jürgen Hellgardt vom BUND denkt darüber nach. Foto: Archiv/Berger

Bildunterschrift 2: Der BBMN hat am Montagabend unter anderem die Atompolitik des Landes Baden-Württemberg kritisiert. Foto: Reto Bosch

28.10.2015 - Heilbronner Stimme - Region Heilbronn - Reto Bosch