Uns vom Aktionsbündnis Energiewende Heilbronn beschäftigt dabei auch, dass die bei Förderung, Bearbeitung, Transport und Verwendung von Erdgas immer vorhandene direkte Freisetzung von Erdgas in die Atmosphäre nicht beachtet wird, obwohl der Hauptbestandteil vom Erdgas, das Methan, noch viel stärker klimaschädlich ist als CO2. Noch dazu wird die Schädlichkeit von Methan häufig unterschätzt, weil in der Vergleichsbetrachtung mit CO2 die zeitliche Dynamik nicht wahrgenommen wird. Der Faktor einer circa 28-fachen Schädlichkeit auf Sicht von 100 Jahren ist schon dramatisch, umso mehr ist das aber der Faktor von circa 84 auf Sicht der ersten 20 Jahre (massebezogen, Zahlen des IPCC).
Das bedeutet: Erdgas ist keinesfalls eine "Brückentechnologie" für die nächsten 24 Jahre bis 2045, sondern es ist geradezu ein Treibhaus-Turbo.
Da sich offenbar die Stadtverwaltung Heilbronn bereits intensiv mit den Plänen für das Gaskraftwerk befasst und nun auch der Gemeinderat damit befasst werden soll, startet das Aktionsbündnis Energiewende Heilbronn heute eine Aufklärungsaktion mit Post für die Heilbronner Stadträtinnen und Stadträte:
Heute geht das beigefügte Schreiben an die Stadträtinnen und Stadträte in den Versand, begleitet von einem frechen Geschenk: um die Aufmerksamkeit mit etwas Augenzwinkern auf das Thema Gas zu fokussieren, gewissermaßen auch im Sinn einer Folgen-Betrachtung ("es zählt, was hinten raus kommt") schenken wir mit jedem Schreiben ein so genanntes Pups-Kissen. Wir sind gespannt auf die Reaktion der Rätinnen und Räte. Wichtig ist, dass ihnen deutlich wird: ein neues Gaskraftwerk in Heilbronn wäre ein Booster der Klimakrise, und eine Unterstützung durch den Gemeinderat würde viele andere Klimaschutzanstrengungen zerstören.
Hier unser Schreiben an die Heilbronner Stadträtinnen und Stadträte:
Es geht um Gas - Erdgas (Methan) schadet dem Klimaschutz
Sehr geehrte Stadträtinnen und Stadträte des Heilbronner Gemeinderats,
mit dem Geschenk dieses Scherzartikels möchten wir Ihre Aufmerksamkeit auf ein ernstes Thema richten: Gas.
Im „Netzentwicklungsplan Gas“ wird der Neubau eines Erdgas-Kraftwerks in Heilbronn mit einer Gasanschlusskapazität von 1.200 MW angegeben1. An anderen Kohlekraftwerks-Standorten plant die EnBW den Neubau von Erdgas-Kraftwerken. Wir befürchten dasselbe für Heilbronn.
Kerninfos:
- Für die entscheidenden nächsten Jahrzehnte wirkt Methan ca. 80x so klimaschädlich wie CO2.
- Bereits bei konventioneller Erdgasförderung ist die Summe des Klimaschadens durch Methan-Freisetzung plus Verbrennungs-CO2 noch höher als bei Kohleverbrennung.
- Steigerung der Erdgasförderung bedeutet überproportionale Steigerung der Methan-Freisetzung.
- Investitionen in Erdgas blockieren Energiewende und Klimaschutz auf Jahrzehnte hinaus.
- Konsequenz: Erdgas-Pläne für das Heilbronner Kraftwerk müssen gestoppt werden.
Bei der Verbrennung von Erdgas in Kraftwerken wird direkt das bekannte Treibhausgas CO2 in die Atmosphäre abgegeben. Die Befürworter des „Fuel Switch“ zum Erdgas betonen, dass dies weniger ist als bei der Verbrennung von Kohle. Das Problem ist jedoch der Hauptbestandteil von Erdgas: Methan2 (CH4). Ein wesentlicher Teil der Treibhausgaswirkung durch Erdgas entsteht durch beabsichtigtes oder unbeabsichtigtes Entweichen von Methan auf dem Weg des Erdgases von der Quelle zum Endverbrauch (mindestens 4%). Methan wirkt dabei viel stärker klimaerwärmend als CO2. Das IPCC („Weltklimarat“) gibt das Treibhauspotenzial von Methan gemittelt über einen Zeitraum von 20 Jahren ab Freisetzung mit dem 84-fachen von CO2 an3.
Da Erdgas eine knappe fossile Ressource ist, wird es immer aufwändiger, zusätzlichen Erdgasbedarf zu decken. Dieser wird daher beispielsweise aus Schiefergas (Fracking) bezogen. Dabei wird noch wesentlich mehr Methan freigesetzt als bei der konventionellen Förderung. Für den Import von Fracking-Gas, bspw. aus den USA, werden aktuell an der Nordsee neue LNG-Flüssiggasterminals gebaut. Um die Wirkung eines neuen Gaskraftwerks zu bewerten, darf daher nicht mit der durchschnittlichen Klimawirkung von Erdgas gerechnet werden. Es muss mit den Treibhausgas-Emissionen der dafür notwendigen zusätzlichen Gasförderung gerechnet werden. Neue Untersuchungen zeigen dass in einer solchen Gesamtbetrachtung die Auswirkung eines neuen Gaskraftwerks mehr als 40% höher ist als bei einem Kohlekraftwerk.4 Selbst
besonders effiziente GuD-Gaskraftwerke sind kaum weniger klimaschädlich als Kohlekraftwerke.5 Sie bergen aber die Gefahr von „Lock-in“-Situationen: Da die getätigten Investitionen für die Energieversorger unwiederbringlich abgeschrieben sind, würde Strom aus Erdgas unterhalb der Vollkosten verkauft und ein Hindernis für fairen Wettbewerb und insbesondere den Ausbau erneuerbarer Energien darstellen.
Ein neues Erdgas-Kraftwerk wäre somit das Gegenteil von Klimaschutz und damit eine schwere Hypothek für alle Klimaschutzanstrengungen der Stadt Heilbronn.
Heilbronn hat andere Möglichkeiten: in einem klimaneutralen Heilbronn könnte „grünes“ Gas langfristig gespeichert werden und für den Schwankungsausgleich im Falle einer seltenen „Dunkelflaute“ eingesetzt werden. Grünes Gas wird aus Wasserstoff hergestellt. Um Wasserstoff klimaneutral zu produzieren ist zunächst ein Überschuss an Ökostrom notwendig. Hiervon ist Heilbronn weit entfernt. Im Klimaschutz-Masterplan sind wichtige Maßnahmen enthalten um dieses Ziel zu erreichen. Die Nutzung aller Dachflächen für Photovoltaik-Anlagen leistet dazu einen wichtigen Beitrag, genügt jedoch nicht. Besonders schnell umsetzbar und kostengünstig sind Solarparks, Agri-Photovoltaik-Anlagen6 und Windparks. Die im Masterplan enthaltenen Potenzialuntersuchungen können Sie nutzen, um entsprechende Flächen auszuweisen.7
Das bestehende Nahwärme- und Dampfnetz muss klimaneutral versorgt werden, beispielsweise aus industrieller Abwärme, Solarthermie und der Abwärme künftiger Wasserstoff-Elektrolyse. Eine Versorgung des Wärmenetzes aus der Abwärme eines Gaskraftwerks würde diese innovativen und klimaverträglichen Lösungen hingegen auf Jahrzehnte verhindern.
Für die Wärmeversorgung wird der kommunale Wärmenutzungsplan8 erste Erkenntnisse liefern. Die Beschleunigung der Sanierung der Wohngebäude ist eine Möglichkeit den Wärmebedarf zu senken. Aufgrund begrenzter Handwerks-Kapazitäten ist es notwendig, auch im Bestand schnell Erdgasheizungen zu ersetzen. Besonders effizient sind Wärmepumpen, die dann mit zusätzlichem Ökostrom versorgt werden müssen.
In unserem Klimaschutz- und Energiekonzept für Heilbronn haben wir dargestellt, welche verfügbaren Technologien eingesetzt werden können um schnell Netto-Null Emissionen zu erreichen. Dies ist ohne Mehrkosten und Komfortverzicht möglich9.
Sonnige Grüße
D. Knoll, B. Brenner und F. Wagner
Aktionsbündnis Energiewende Heilbronn
Die Links zu den Quellen findet ihr hier auf unserer Webseite.
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