Erdgas-Rede bei der Fridays for Future Demo am 06.08.2021
Bei der vorletzten Demo von Heilbronn for Future hat Daniel vom Aktionsbündnis Energiewende Heilbronn eine Rede zu den Erdgas-Plänen der EnBW gehalten. Hier das Rede-Manuskript.
Liebe Freundinnen und Freunde, Liebe Klimaschützerinnen,
ich bin Daniel, aktiv beim Aktionsbündnis Energiewende Heilbronn und Vorstand bei MetropolSolar.
Die Fragen unserer Energieversorgung drehen sich immer um einen Kern:
- Wie kommt die Sonne ins Haus?
Der fossile Weg sieht so aus:
- Die Sonne scheint auf Pflanzen und Tiere
- Die fallen irgendwann Tod um
- Versinken im Boden
- Dann warte wir einfach ein paar Millionen Jahre – das kürzen wir hier jetzt mal ab
- Dann haben wir fossile Brennstoffe wie Erdgas
- Ein multinationaler Konzern holt sie wieder raus
- Vertreibt dafür womöglich die indigene Bevölkerung und verseucht beim Fracking die Umwelt.
- Schickt sie einmal um die halbe Erde durch Pipelines wie Nord-Stream II oder aus seriösen Diktaturen wie Aserbaidschan oder verflüssigt das Erdgas mit enormem Energieaufwand und schickt es mit Tankschiffen über den Ozean
- Steckt sie irgendwo in ein Kraftwerk
- Turbine
- Generator
- Riesige Stromleitungen
- Und schon ist die fossile Energie im Haus
Unser Weg:
- Die Sonne
- mein Photovoltaik-Modul und
- ich
und da könnt ihr jetzt noch einen Akku und ein E-Mobil, Pedelec etc. mit rein hängen und schon hat man seine eigene Energieversorgung.
Was kommt von der Sonne auf die Fläche hier in Heilbronn?
Stellt euch vor das wäre 1 qm. Auf 1 qm kommen in DE umgerechnet 100 Liter Öl pro Jahr an natürlicher Solarstrahlung.
Mit der Photovoltaik kann man aus den 100 Litern Solarstrahlung pro qm die Energie von 20 Litern rausholen.
Der Strom der dabei raus kommt genügt um damit pro Jahr 1.000 km elektrisch Auto zu fahren.
Wenn man den Weg der fossilen Energie geht sieht es ganz anders aus. Mit einer normalen Pflanze holt man aus den 100 Litern Solarstrahlung pro qm ungefähr 1 Liter raus. Wenn man dann den Weg über die Jahrmillionen und die ganzen Umwandlungsverluste geht. Bohrtürme, Schiffsunglücke, Umweltkatastrophen, man muss Kriegsgerät anschaffen um die Lieferketten zu schützen, der Weg ist fatal und am Ende bleibt von den 100 Litern die am Anfang mal da waren 0,0irgendwas übrig. Also es ist ein völlig ineffizienter Weg. Das fällt nur deswegen nicht auf weil die Energie eben über Jahrmillionen gesammelt wurde.
Der Erneuerbare Weg von der Sonne ins Haus dauert 8 Minuten. Lichtgeschwindigkeit. Das kann jeder machen. Das ist eine absolut entscheidende Frage dafür wie demokratisch eine Energieversorgung ist. Man installiert einmal die Technik. Dann ist da niemand mehr dazwischen. Dieser Weg im eigenen Haus oder in der Stadt gemeinsam in einer Energie-Genossenschaft führt zu lokaler Autonomie. Man kommt aus Abhängigkeiten raus.
[Quelle: dieser erste Teil der Rede basiert auf dem Bierdeckel- und dem Solarstrategie-Vortrag von MetropolSolar-Vorstand Daniel Bannasch – zu finden bei Youtube]
Vor zwei Wochen hat die EnBW bekannt gegen was sie jetzt in Heilbronn plant
Die EnBW will neben das Kohlekraftwerk ein riesiges neues Erdgas-GuD-Kraftwerk bauen. Dieses neue Kraftwerk soll dann das Kohlekraftwerk ersetzen. 500 Millionen Euro soll das kosten.
Zur Versorgung des neuen Kraftwerks wird eine neue „Süddeutsche Erdgasleitung“ gebaut. Diese hat einen Durchmesser von 1,20 Meter und führt über 250 Kilometer von Hessen, vorbei an Heidelberg, Heilbronn, Ludwigsburg, Göppingen, Heidenheim nach Bayern. International ist die Pipeline über Nord Stream 1 und 2, Weißrussland oder die Ukraine – an Russland angeschlossen. Außerdem kann Erdgas aus Norwegen und über das neue Flüssiggas-LNG-Terminal, das in Greifswald gebaut werden soll, aus den Fracking-Gas-Quellen in den USA, Nigeria, Trinidad und Tobago, Katar geliefert werden. Gegen das LNG-Terminal haben am letzten Wochenende übrigens tausende Aktivisten von Ende Gelände mit zivilem Ungehorsam protestiert. Und gegen die Süddeutsche Erdgaspipeline hat vor zwei Wochen Extinction Rebellion in Heidelberg mit einer Brücken-Blockade demonstriert.
Mit diesem neuen Kraftwerk soll Strom produziert werden und die dabei anfallende Abwärme in das Fernwärmenetz im Heilbronner Industriegebiet, bis nach Neckarsulm ins Audi-Werk und die Heilbronner Innenstadt geliefert werden.
Jetzt muss man wissen dass ein Erdgas-GuD-Kraftwerk ein Spitzenlast-Kraftwerk ist. Das bedeutet es wird nur für wenige Stunden betrieben, wenn ansonsten keine andere Erzeugung verfügbar ist. [Das müssen wir noch verifizieren. Die EnBW hatte sich in diese Richtung geäußert, grundsätzlich könnten Erdgas-GuD-Kraftwerke aber auch in der Mittellast/Grundlast betrieben werden. Auf jeden Fall gilt dies für einen späteren reinen Wasserstoff-Betrieb, dazu später.] Die EnBW geht davon aus dass die Betriebsstunden in den nächsten Jahren sinken werden, wenn die Erneuerbaren ausgebaut werden.
Das Wärmenetz muss aber trotzdem versorgt werden. Eine gewisse Zeit will die EnBW das über einen großen Wärme-Speichertank ausgleichen. Aber die EnBW geht selbst davon aus dass das nicht reicht. Daher will die EnBW zusätzlich zu dem Gaskraftwerk noch sehr große Hilfserzeuger installieren. Darin wird Erdgas verbrannt ohne gleichzeitig Strom zu erzeugen.
Bei der Verbrennung von Erdgas in Kraftwerken wird direkt das bekannte Treibhausgas CO2 in die Atmosphäre abgegeben. Die EnBW als Befürworter des „Fuel Switch“ zum Erdgas betont, dass dies weniger ist als bei der Verbrennung von Kohle. Das Problem ist jedoch der Hauptbestandteil von Erdgas: Methan (CH4). Ein wesentlicher Teil der Treibhausgaswirkung durch Erdgas entsteht durch beabsichtigtes oder unbeabsichtigtes Entweichen von Methan auf dem langen Weg des Erdgases von der Quelle zum Endverbrauch. Methan wirkt dabei viel stärker klimaerwärmend als CO2.
Das besondere an Methan ist dass es in der Atmosphäre reagiert und so innerhalb von ungefähr 9 Jahren abgebaut wird. Innerhalb dieser Zeit ist es aber ein extremes Klimagas. Viel wirksamer als CO2. Da man beim Klimawandel immer längere Zeiträume betrachtet wird die Klimawirkung von Methan über mehrere Jahrzehnte gemittelt. Das IPCC („Weltklimarat“) gibt das Treibhauspotenzial von Methan gemittelt über einen Zeitraum von 20 Jahren ab Freisetzung mit dem 84-fachen von CO2 an. Die EnBW rechnet einfach den Mittelwert über einen längeren Zeitraum aus und kommt so nur auf einen Faktor von 25. Je nachdem aus welcher Quelle Erdgas bezogen wird und wie der Transportweg ist geht mehr oder weniger Methan unterwegs verloren. Aber man sieht an dem Faktor 84 dass schon wenige Prozent Leckage das Erdgas klimaschädlicher machen als andere fossile Energien.
Die EnBW ist natürlich sehr gut darin sich einen grünen Anstrich zu geben. Daher haben sie das Projekt mit der großen Ankündigung verkauft darin künftig Wasserstoff zu verfeuern. Das soll ab 2035 geschehen. Wir haben die EnBW gefragt woher dieser Wasserstoff dann kommen soll. Die Antwort der EnBW: „Aus der Pipeline.“ Das ist ungefähr so weitsichtig wie wenn man sagt „Der Strom kommt aus der Steckdose.“ Die EnBW hat auch ausdrücklich betont: Wir planen nicht den Wasserstoff selbst zu erzeugen.
Häufig wird so getan als sei Wasserstoff eine Energie-Quelle. Wasserstoff ist schließlich in Wasser enthalten, also quasi beliebig verfügbar. Das Problem ist: Wasserstoff kommt in der Natur fast nur in gebundener Form vor. So ist er nicht nutzbar. Man muss ihn also erst abtrennen. Soll das klimafreundlich passieren geht das zum Beispiel über die Elektrolyse. Dafür braucht man Strom. Öko ist das nur wenn das Ökostrom ist. Bei der Wasserstoff-Herstellung geht aber einiges an Energie verloren, die dann nicht mehr im Wasserstoff steckt sondern als Abwärme übrig bleibt. Für den Pfad Strom-Wasserstoff-Strom – oder – Strom-Wasserstoff-Wärme braucht mal also mehr Windräder und Photovoltaik-Anlagen als wenn man den Strom einfach direkt nutzt.
Wasserstoff wird deshalb auch als „Champagner der Energiewende“ bezeichnet.
In einem zukünftig 100% Erneuerbaren Energiesystem wird es wohl Stunden geben in denen nicht genug Erneuerbarer Strom direkt verfügbar ist – Nachts und bei Windflaute. Dafür kann gespeicherter Wasserstoff aus Zeiten mit Überschuss genutzt werden um diese Lücken zu füllen. Günstiger und effizienter ist es aber Strom zunächst in Akkus zwischen zu speichern. Schon jetzt verdrängen Akkus Spitzenlast-Kraftwerke vom Markt. Je mehr Erneuerbare Energien es gibt umso kürzer werden die Zeiträume die man mit langfristig gespeichertem Wasserstoff überbrücken muss.
[siehe dazu https://www.rethinkx.com/energy-lcoe]
Die EnBW sagt: Es gibt viele Industrien die künftig auf Wasserstoff angewiesen sein werden um klimaneutral zu produzieren, weil man für deren Prozesse nicht direkt Ökostrom einsetzen kann. Wir sind mit unserem GuD-Kraftwerk nur dann wettbewerbsfähig, wenn wir das Kraftwerk mit dem teuren Wasserstoff nur dann einsetzen wenn der Strompreis am höchsten ist weil sonst keine Erneuerbaren Energien verfügbar sind.
Die EnBW sagt: Wasserstoff ist keine wirtschaftliche Lösung für die Nahwärme wenn wir nicht gleichzeitig auch Strom produzieren.
Wir erinnern uns: Für die Zeiten in denen das Kraftwerk still steht will die EnBW Hilfserzeuger bauen in denen Erdgas zur Wärmeerzeugung verbrannt wird.
Wie soll denn das Industriegebiet und die Heilbronner Innenstadt mit bezahlbarer Nahwärme versorgt werden wenn das Kraftwerk künftig immer häufiger stillsteht und es zu teuer ist den „Champagner-Wasserstoff“ einfach nur zu verbrennen?
Also immer weiter mit Erdgas?
Dieser Lock-In-Effekt darf nicht passieren! Wir haben nicht bis 2035 Zeit um auf eine viel zu teure Wasserstoff-Nahwärme zu warten für die der Wasserstoff dann - vielleicht - aus der Pipeline kommt.
Wir haben keine Zeit für teure Brückentechnologien.
Wir müssen direkt auf die Nachhaltigen Lösungen umstellen. Im Heilbronner Klimaschutzkonzept sind dafür wichtige Maßnahmen enthalten. Dafür ist sogar schon Geld im Haushalt eingestellt. Beispielsweise soll ein Kommunaler Wärmenutzungsplan erstellt werden. Darin sieht man dann welche Industriebetriebe in Heilbronn Abwärme produzieren, die bislang in großem Umfang ungenutzt aus den Hallen gepustet wird. Diese kann man in ein zukunftsfähiges Nahwärmenetz einspeisen. Mit Solarthermie und großen Wärmepumpen, die Wärme aus dem Flusswasser und dem Abwasser entziehen, kann man wesentlich effizienter und klimafreundlich Wärme beziehen als mit der Verbrennung von Erdgas oder Wasserstoff.
Wir brauchen auf jedem Dach in Heilbronn Photovoltaik-Anlagen.
Wir brauchen mehrere Quadratkilometer Flächen für Solarparks und Agri-Photovoltaik bei der unter den Solarpanels gleichzeitig sonnen- und wettergeschützt Lebensmittel angepflanzt werden.
Und wir brauchen viel mehr Windräder.
Dafür muss Heilbronn Flächen ausweisen
[Unsere Mengen- und Flächen-Abschätzung siehe http://energiewendeheilbronn.de/index.php?klimaschutz-und-energiekonzept-f%C3%BCr-heilbronn-vorgestellt]
Von der Fossilen Quelle zu uns fließt die Energie. In die Gegenrichtung fließt das Geld. Bei einer erneuerbaren Versorgung bleibt das in eurer Hand.
Wir haben bei MetropolSolar das Recht auf Sonne formuliert. Drei Sätze:
- Die Sonne ist die Energiequelle für uns alle, überall auf der Welt.
- Jeder hat das Recht die Sonne frei zu nutzen.
- Niemand darf bei der Ausübung dieses Rechts willkürlich beschränkt, behindert oder belastet werden.
Punkt 2 und 3 sind in Deutschland keine Realität. Die bisherige Bundesregierung behindert mit einem Wust an Regelungen und Gesetzen dieses Recht. Wirtschaftsminister Altmaier und Co haben alles getan um die einfache Nutzung der Sonne auszubremsen.
Wir haben heute gemeinsam mit dem Bündnis Bürgerenergie und dem BUND eine Beschwerde bei der Europäischen Kommission eingereicht, weil sich die Bundesregierung weigert die europäische Erneuerbare-Energien-Richtlinie umzusetzen. Diese Richtlinie enthält wichtige Rechte für die Bürgerenergie und die gemeinschaftliche Versorgung mit Erneuerbaren Energien.
Die nächste Bundesregierung muss endlich die Fesseln lösen und die Saubere Revolution der Energieversorgung ermöglichen!
Am 9.9. haben wir Verena Graichen eingeladen. Sie ist stellvertretende Bundesvorsitzende des BUND und Mitglied im Nationalen Wasserstoffrat. Sie wird ab 19 Uhr online zum Thema Erdgas und Wasserstoff sprechen. Infos auf unserer Webseite, bei Insta, Facebook und über unseren Newsletter. www.EnergiewendeHeilbronn.de [http://energiewendeheilbronn.de/index.php?erdgas]
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