Innovative Investitionen statt Wasserstoff-Hype
Stv. Vorsitzende des BUND Bundesverbands zu den Erdgas-Plänen der EnBW in Heilbronn
Die geplante Umwandlung des Heilbronner Kohlekraftwerks in ein großes Erdgas-Kraftwerk sieht Verena Graichen, Mitglied im Nationalen Wasserstoffrat der Bundesregierung, kritisch. Bei einer Online-Konferenz unter dem Titel „Erdgas und Klimaschutz –Brücke oder Sackgasse?“ letzte Woche bezweifelte die Expertin den Brückeneffekt, sondern sieht eine Erdgas-Zwischenlösung eher als Verzögerung auf dem Weg zu einem konsequenten, klimagerechten Umbau - insbesondere wenn das Kraftwerk wie in Heilbronn geplant, stromgeführt betrieben werde.
Kurz vor der Sommerpause hat die EnBW Pläne öffentlich gemacht, am Standort des Kohlekraftwerks in Heilbronn ein neues, sehr großes Erdgas-Kraftwerk zu errichten. Die EnBW gibt für das neue fossile Kraftwerk jährliche CO2-Emissionen (äquivalente) von 1,7 Millionen Tonnen an. Zum Vergleich: die gesamte Stadt Heilbronn verursacht inklusive Verkehr, Haushalten, Wirtschaft und Industrie Emissionen von 1 Million Tonnen. Das Kraftwerk soll an eine neue Süddeutsche Erdgaspipeline angeschlossen werden. Diese hat einen Durchmesser von 1,2 Meter.
Die EnBW rechtfertigt dieses Vorhaben mit einer Vision künftig in der Anlage Wasserstoff zu verbrennen. Das Aktionsbündnis Energiewende Heilbronn hat dazu gemeinsam mit dem BUND Regionalverband Heilbronn-Franken Verena Graichen zu einer Veranstaltung eingeladen. Graichen ist stellvertretende Vorsitzende des BUND Bundesverbands und Mitglied im Nationalen Wasserstoffrat der Bundesregierung. Die Wissenschaftlerin forscht am Öko-Institut in Berlin zur nationalen und internationalen Klimapolitik.
Die Wasserstoff- und Energie-Expertin sagte zu den Plänen der EnBW, Wasserstoff sei ein Hype. Wasserstoff habe viele Vorteile, sei aber auch mit unglaublichen Umwandlungsverlusten verbunden. Wasserstoff könne im Stromsektor daher nur eine Brücke für die seltene Dunkelflaute sein (gleichzeitig wenig Wind und wenig Sonne), und wenn Fernwärme nicht anders zu beschicken sei. Wasserstoff werde in anderen Industriesektoren wie der Stahlproduktion dringend und in riesigen Mengen gebraucht.
Graichen wies darauf hin dass das Kohlekraftwerk in Heilbronn in den vergangenen Jahren nur sehr wenige Stunden betrieben wurde. Die Wirtschaftlichkeit sei daher schon lange in Frage gestellt. Jetzt wolle die EnBW ihren Standort, durch das Abgreifen von Subventionen wie dem KWKG-Bonus für die Abschaltung des Kohlekraftwerks, vergolden.
KWKG steht für das Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetz. Mit einem Teil der Abwärme des Heilbronner Steinkohlekraftwerks wird das Wärmenetz versorgt. Das Netz erstreckt sich vom Audi-Werksgelände in Neckarsulm über das Heilbronner Industriegebiet bis zum Übergabepunkt an das Wärmenetz der HNVG im Stadtkern. Wenn das Kohlekraftwerk aufgrund mangelnder Stromnachfrage stillsteht verbrennt die EnBW Steinkohle in Hilfsdampferzeugern nur für die Wärmeerzeugung.
Die EnBW antwortete auf Fragen des Heilbronner Energiewende-Bündnisses, dass das Gaskraftwerk bei zunehmendem Ausbau der Erneuerbaren Energien immer seltener betrieben werde. Die EnBW plant daher neben dem Gaskraftwerk große neue Erdgas-Hilfsdampferzeuger am Standort Heilbronn zu errichten. Darin wird Erdgas verbrannt ohne gleichzeitig Strom zu erzeugen.
Im Hinblick darauf stellte Graichen die Frage wie die Klima-Ziele der Wärmekunden durch den Nahwärmeerzeuger erfüllt werden könnten. Audi hat beispielsweise angekündigt bis 2025 alle Werke klimaneutral zu machen. Die Abschaltung des Kohlekraftwerks biete eine große Chance für Investitionen im Raum Heilbronn. Daher sei es besonders interessant dass es einen kommunalen Wärmenutzungsplan geben soll. Diesen hat der Heilbronner Gemeinderat im Zuge des Klimaschutz-Masterplans auf den Weg gebracht und bereits für das kommende Jahr Mittel im Haushalt eingestellt. Darauf aufbauend könne man Wärme dezentral erzeugen und Abwärme aus der Industrie nutzen. Heilbronn habe jetzt die Gelegenheit um innovativ voran zu gehen.
Die EnBW bezeichnet den Einsatz von Erdgas als Brücke. Dabei ist laut Graichen nicht die Frage wieviel CO2 genau verursacht wird, sondern ob das wirklich eine Brücke ist oder die Investition den Umbau verzögert. Insbesondere wenn ein Kraftwerk stromgeführt betrieben werde. Dies ist laut aktuellen Auskünften der EnBW beim neu geplanten GuD-Erdgaskraftwerk in Heilbronn der Fall.
Fritz Mielert, Umweltreferent beim BUND-Landesverband, hob hervor dass es keine Studie gebe, die davon ausgehe, dass Wasserstoff zukünftig zum Heizen verwendet werde. Dafür gebe es keine wissenschaftliche Grundlage. Es sei deshalb höchst problematisch, dass die EnBW für die Wärmeerzeugung auf Wasserstoff setze.
In der anschließenden Diskussionsrunde mit den Gästen, an der auch mehrere Mitglieder des Gemeinderats teilnahmen, wurde die Verärgerung über die kurzfristige Information der Öffentlichkeit vor der Sommerpause und mitten im Bundestagswahlkampf deutlich. So sei eine angemessene Einarbeitung in das komplexe Thema kaum möglich.
„Es fehlt das Ende der Brücke“, wies Graichen auf die Lücke in der Argumentation der EnBW hin, „die Aussage der EnBW der Wasserstoff komme dann aus der Leitung, egal wo her, ist zu kurz gedacht.“, Graichen begrüßte die kommunalpolitische Diskussion, der EnBW konkrete Vorgaben für das Ende der Erdgasverbrennung zu machen. „Die Frage ist wie man es zum Interesse der EnBW machen kann, dass es im Bereich des Ausbaus der Erneuerbaren Energien voran geht. Wie kann man das durch einen lokalen Ausbau der Erneuerbaren Energien flankieren?“
Das Aktionsbündnis Energiewende Heilbronn fordert seit Jahren die Stilllegung des Kohlekraftwerks bis 2025. Dafür ist nach Berechnungen des Energiewende-Bündnisses die Ausstattung aller geeigneten Dachflächen mit Photovoltaik-Anlagen, zusätzlich der Bau von Solarparks oder Agri-Photovoltaik-Anlagen auf 2-3 Quadratkilometern Fläche sowie der massive Ausbau der Windkraft notwendig. Der Gemeinderat kann dafür die Rahmenbedingungen setzen, so das Bündnis.
Quellen:
- EnBW Projektvorstellung am 29.07.2021
- Schreiben der EnBW vom 08.09.2021 an das Aktionsbündnis Energiewende Heilbronn „Antworten auf Ihre Fragen zum geplannten GuD-Kraftwerk am Standort Heilbronn“
- terranets bw https://www.terranets-bw.de/gastransport/netzausbauprojekte/sueddeutsche-erdgasleitung/
- Stadt Heilbronn, Klimaschutz-Masterplan
- Fraunhofer ISE: energy charts
- Aktionsbündnis Energiewende Heilbronn: Klima- und Energiekonzept
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