Verfassungsbeschwerde von Antiatom-Aktivistin Cécile Lecomte ("Eichhörnchen")

Vor dem letzten Castortransport, der am 09.11.2008 auch durch Heilbronn fuhr, wurde die für ihre Kletteraktionen bekannte Antiatom-Aktivistin Cécile Lecomte ("Eichhörnchen") für vier Tage von der Polizei in Braunschweig eingesperrt, um sie an Protest und Meinungsäußerung zu hindern. Wenige Menschen können sich vorstellen, dass diese amtliche Freiheitsberaubung nach deutschen Gesetzen legal ist. Tatsächlich aber beschneiden die Polizei-, Versammlungs- und weitere Gesetze der Bundesländer massiv z.B. das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung.

Das Aktionsbündnis Energiewende Heilbronn protestiert entschieden gegen diese staatliche Willkür und solidarisiert sich mit der gestern eingereichten Verfassungsbeschwerde von Frau Lecomte.

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Castor 2008 bei der Durchfahrt in Heilbronn

Nicht der Atomprotest ist gefährlich, sondern die menschenverachtenden, vermeidbaren Großrisiken durch AKWs, Atommülllager und Atomtransporte", so die Heilbronner Initiative. "Wir rechnen 2010 wieder mit ein oder zwei Castortransporten nach Ahaus und Gorleben mitten durch Heilbronn und fordern die Behörden auf, die Bevölkerung früh zu informieren und effektiv zu schützen."


Atomkraftgegnerin wehrt sich mit Verfassungsbeschwerde gegen tagelanges Wegsperren

Die in Deutschland lebende französische Aktivistin Cécile Lecomte ist für ihre spektakulären gewaltfreien internationalen politischen Kletteraktionen bekannt. 2008 kam sie anlässlich eines Atommülltransportes zum Atommüllzwischenlager Gorleben für 4 Tage in präventiven Gewahrsam – Ihre Inhaftierung löste große Empörung aus. In der Kritik stand - und steht weiterhin - der Umgang des Staates mit gewaltfreien AktivistInnen und die willkürliche Kriminalisierung ihres Handels. In Deutschland können Menschen präventiv "zur Gefahrenabwehr" nach dem Sicherheits- und Ordnungsgesetz der jeweiligen Bundesländern in Gewahrsam genommen werden, ohne dass ihnen eine Straftat vorgeworfen wird. Aktivistin Cécile Lecomte hält ein solches tagelanges präventives Wegsperren für unzulässig und sieht darin eine Ersatzbestrafung. Vor dem obersten deutschen Gericht rügt sie nun die Verletzung ihrer Freiheitsgrundrechte, sowie des Verhältnimäßigkeitsgrundsatzes, der Versammlungs- und Meinungsfreiheit. Zahlreiche Initiativen aus Deutschland aber auch aus dem Ausland unterstützen sie bei ihrem Gang vor dem deutschen Bundesverfassungsgericht.

Die Kletteraktivistin Cécile Lecomte reichte am 7.12.2009 eine Verfassungsbeschwerde (1) gegen ihren 4-tägigen Sicherungsgewahrsam (2) während des Castortransportes 2008 nach Gorleben ein. Nach einer Kletteraktion über der Schiene war die in Lüneburg lebende gebürtige Französin festgenommen worden. Der Aktivistin wurde strafrechtlich nichts vorgeworfen, vielmehr ging es der Polizei darum, eventuelle kommende spektakuläre Kletteraktionen gegen den Castortransport zu verhindern. Die Atomkraftgegnerin ist der Behörde schon lange ein Dorn im Auge, die ehemalige französische Meisterin im Sportklettern nutzt gerne ihre Kletter-Fähigkeiten, um auf ihre politischen Anliegen aufmerksam zu machen (2).

Es geht um die grundsätzliche Frage, wie mit gewaltfreiem Protest umgegangen werden darf, ob bei der Anordnung des Präventivgewahrsams Art und Schwere der zu verhindernden Tat - zumindest bei der Dauer des Gewahrsams - berücksichtigt werden muss. "Ich halte einen mehrtägigen Gewahrsam zur Verhinderung geringfügiger Ordnungswidrigkeiten für gänzlich unverhältnismäßig und sehe darin eine unzulässige "Ersatzbestrafung" durch die Polizei," erklärt Lecomte.

Die Aktivistin kritisiert auch Kriminalisierung von politischem Engagement durch das willkürliche Eintragen von Informationen diversen Polizeidateien: "In meinem Fall basierte die der Ingewahrsamnahme zu Grunde liegende polizeiliche Gefahrenprognose auf einer ganzen Reihe von (Kletter)Aktionen, die entweder überwiegend legalem Verhalten entsprachen oder in Ausnahmefällen als geringfügige Ordnungswidrigkeit bewertet wurden. Vorbestraft bin ich nicht" erläutert die Betroffene. Sie sieht solches Vorgehen als Türöffner für staatlichen Willkürakten. "Die besagte Gefahrenprognose ist dauerhaft in polizeilichen Dateien gespeichert und wirkt wie ein Damoklesschwert auf meine Freiheitsrechte."

Gegenstand der Verfassungsbeschwerde sind ebenfalls die Haftbedingen, den sie damals ausgesetzt wurde. Tagelang  wurde sie in eine weiß gekachelte Zelle ohne Tageslicht und Beschäftigungsmöglichkeit eingesperrt. In die frische Luft durfte sie nur eine halbe Stunde in Handfesseln und wurde somit schlechter behandelt als rechtskräftig verurteilten StraftäterInnen.

Hintergrund (3)

Am 6.11.2008 hatte die Kletteraktivistin mit drei anderen DemontrantInnen an einer Eisenbahnbrücke über dem Elbe-Seitenkanal bei Lüneburg ein Transparent entrollt, um gegen den bevorstehenden Atommüll zu protestieren. Die AktivistInnen des Umweltvereins Robin Wood wurden nach mehreren Stunden Protest von der Brücke durch die Polizei geräumt. Im Anschluss wurde Cécile Lecomte in präventiven Langzeitgewahrsam genommen und nach Braunschweig 200 Kilometer entfernt ins Polizeiliche Zentralgewahrsam verlegt. Die anderen KletterInnen wurden noch vor Ort nach einer Personalienfeststellung freigelassen.

"Meine Ingewahrsamnahme zeigt wie effektiv fantasievolle Kletteraktionen sind, die Staatsmacht hat Angst davor. Atomkraft und Grundrechte sind nicht kompatibel", so das damalige Fazit der Aktivistin. Weil sie aber durch die Maßnahme und die Haftbedingen sehr "mitgenommen wurde", weil sie das Ganze als Willkür empfand, entschied sie sich – unter anderem mit juristischen Mitteln – dagegen zu kämpfen und in die Öffentlichkeit zu gehen. Zahlreiche Gruppen unterstützen die Aktivistin.

Unbeugsames Eichhörnchen, 08.12.2009

(1) Wortlaut der Beschwerde unter
http://www.eichhoernchen.ouvaton.org/deutsch/repression/VerfBs-Langzeitgewahrsam-Castor08.pdf
(2) Beispiele für Kletteraktion vom Eichhörnchen:
http://www.eichhoernchen.ouvaton.org/deutsch/anti-atom/Luftakrobatik-Atomtransporte.html
(3) Hintergründe zum Langzeitgewahrsam der Aktivistin auf ihrer Homepage:
http://www.eichhoernchen.ouvaton.org/deutsch/repression/langzeitgewahrsam.html
Fernsehbericht über die Aktion von Robin Wood am 6.11.2008
(Französisches öffentliches Fernsehen):
http://www.youtube.com/watch?v=BnXEd3nhT6Q