Klimaschutzkonzept: Ziel weit verfehlt

Breite Datensammlung führt nur zu halbherzigen Handlungsvorschlägen

Presse-Information des Aktionsbündnis Energiewende Heilbronn zum Klimaschutzkonzept Heilbronn - Heilbronn, 17.06.2010

Das Aktionsbündnis Energiewende Heilbronn und der BUND bewerten das am Donnerstag vorgestellte Klimaschutzkonzept für Heilbronn als umfangreiche Datensammlung mit einer breiten Auswahl von Handlungsmöglichkeiten, die aber die Klimaschutzziele weit verfehlt.

„Das Klimaschutzkonzept zeigt, dass Kleinvieh auch Mist macht, und stellt einen schönen Kleintierzoo vor“, fasst Gottfried May-Stürmer vom BUND die Kritik zusammen, „wir vermissen aber ein paar aufrüttelnde und motivierende Zugpferde!“

Das Klimaschutzkonzept verfehlt die deutschen und europäischen Zielvorgaben

Die EU hat sich verpflichtet, die Treibhausgas-emissionen bis 2020 gegenüber 1990 um mindestens 20 % zu reduzieren und diskutiert ein Minderungs-ziel von 30 %. Die Bundesregierung hat sich zur Reduzierung um 30% verpflichtet und will dieses Ziel auf 40% steigern, wenn ein internationales Abkommen mit weitreichenden Verpflichtungen anderer Staaten zu Stande kommt. Die Maßnahmen im Klimaschutzkonzept Heilbronn, die mit mittel und hoch priorisiert und zur Umsetzung vorgeschlagen werden, führen lediglich zu einer Reduzierung der CO2-Emissionen um 21 %. Damit würde das Minimalziel der EU gerade eben erreicht. Selbst eine Realisierung aller im Klimaschutz¬konzept  vorgeschlagenen Maßnahmen führt nur zu einer Reduktion um 28,6 % - damit würde noch nicht einmal das Ziel der Bundesregierung erreicht.

„In Anbetracht der für 2019 geplanten Bundesgartenschau läuft Heilbronn Gefahr als bundesdeutscher Dreckspatz vorgeführt zu werden“, bewertet Ulrich Koring vom Aktionsbündnis Energiewende das Konzept, „um die Auswirkungen auf das Weltklima erträglich zu halten, müssen wir uns überall anspruchsvolle Ziele setzen. Das heißt für Heilbronn: Wir müssen noch mindestens 100 000 t CO2 mehr einsparen, als das Klimaschutzkonzept vorsieht“.

Beim Klimaschutzkonzept fehlen wichtige von Bürgern vorgeschlagene Projekte

Die Bürgerbeteiligung scheint im Klimaschutz-konzept keine erkennbaren Spuren hinterlassen zu haben. So taucht der vom BUND vorgebrachte Vorschlag, die getrennt gesammelten organischen Abfälle in einer Biogasanlage energetisch zu nutzen, anstatt sie im Neckar-Odenwald-Kreis ohne Energiegewinnung zu kompostieren, zwar noch im Protokoll der Bürgerinformation vom 17.06.2009 auf, fehlt aber im Klimaschutzkonzept. Mit einer derartigen Anlage lassen sich nach einer vorsichtigen Schätzung mehr als 10 000 t CO2 pro Jahr einsparen. Im Klimaschutzkonzept sind bürgerfinanzierte Photovoltaikanlagen mit bescheidenen 500 kWpeak vorgesehen – ein größeres Projekt wie eine PV-Anlage auf der Mülldeponie Wolfszipfel oder innovative Vorschläge wie Solaranlagen über Parkplätzen wurden nicht verfolgt. Im Verkehrsbereich wurde offensichtlich alles vermieden, was zu Protesten führen könnte – weder Geschwindigkeitsbeschränkungen noch die Ausdehnung verkehrsberuhigter Bereiche oder der Verzicht auf unzeitgemäße Straßenbauprojekte tauchen im Maßnahmenkatalog auf.

Nicht vergessen werden sollten auch die Gestaltungsmöglichkeiten bei der anstehenden Neuvergabe der Stromnetzkonzession. Völlig ausgeklammert wird die Windkraft. Auch wenn sich im Stadtkreis kein Standort anbietet, wäre eine Zusammenarbeit mit dem Landkreis möglich. BUND und Aktionsbündnis weisen darauf hin, dass sich in einem Mix erneuerbarer Energien die „Schönwetter-Energie“ Solarstrom, die „Schlechtwetter-Energie“ Windstrom und die speicherbare Biomasse ideal ergänzen.

Gute Datensammlung – breite Handlungsmöglichkeiten

BUND und Aktionsbündnis Energiewende begrüßen, dass mit dem Klimaschutzkonzept erstmals viele klimarelevante Daten erfasst, bewertet und öffentlich zugänglich gemacht werden. Als Stärke des Konzepts sehen sie, dass die Studie eine breite Auswahl von Handlungsmöglichkeiten für unterschiedliche Akteure aufzeigt. Jetzt sind die Stadt selbst, aber auch Versorgungsunternehmen, Industrie, Handel, Handwerk, Verkehrsbetriebe, Wohnbaugesellschaften und Bürger herausgefordert, die Maßnahmen umzusetzen.

Schleichwerbung für ZEAG

Ärgerlich finden BUND und Aktionsbündnis Energiewende, dass bei den Maßnahmen „Ausbau Ökostromvertrieb“, „Prämie bei Stromeinsparung“ und „Photovoltaikanlage mit Bürgerbeteiligung“ Werbung für die ZEAG gemacht wird. Sie erwarten eine faire Behandlung EnBW-unabhängiger (Öko-) stromanbieter und Investoren. Die Geschäfts-interessen der Atom- und Kohlekonzerne EdF/EnBW und ihrer Tochter ZEAG stehen im grundsätzlichen Widerspruch zum Heilbronner Klimaschutz, eine Vorzugsbehandlung wird deshalb als schädlich angesehen.

Unverständlich ist für die Umweltschützer, warum beim „Bürgermodell Photovoltaik“ über ZEAG oder HVG CO²-Vermeidungskosten von 8 €/t für Versorgungs¬unternehmen und andere Anbieter genannt werden. „Bürger haben längst erkannt, dass sich mit Photovoltaikanlagen Geld verdienen lässt“, kommentiert Bernd Knoll vom Aktionsbündnis, „wenn die Stadt ihre Dächer an die bürgereigene EnerGeno vermietet, hat sie keine Vermeidungskosten, sondern Mieteinnahmen“. Das vielfältige ehrenamtliche Engagement der Heilbronner BürgerInnen sollte genutzt werden, so die Klimaschützer, dadurch könnten auch große Summen Steuergelder eingespart werden und ein Motivationsschub durch die Stadt gehen.

Mangelnde Übereinstimmung zwischen Maßnahmenkatalog und Handlungsempfehlungen

Der Maßnahmenkatalog enthält bei jeder Maßnahme sogenannte „Umsetzungshebel“. Darunter zählen Direktinvestitionen, Zuschüsse, Fördermaßnahmen, Contracting-Modelle, Bürgschaften, aber auch konkrete Maßnahmen ohne Kosten wie Bereitstellung von Dachflächen, Vorgaben in Bebauungsplänen etc. In den Handlungsempfehlungen an den Gemeinderat in der Zusammenfassung des Konzepts sucht man diese Umsetzungshebel vergeblich.

BUND und Aktionsbündnis Energiewende erwarten, dass das Klimaschutzkonzept ergänzt wird, um das anspruchsvolle, aber überlebensnotwendige Ziel einer Reduzierung der Treibhausgase bis 2020 um 40% im Vergleich zu 1990 zu erreichen. Sie fordern den Gemeinderat auf, die vorgeschlagenen Maßnahmen zügig umzusetzen und um weitere Vor¬schläge aus der Bürgerschaft zu ergänzen. Die Umwel¬torganisationen bieten dabei ihre Mitarbeit an.

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