Neckarwestheim: Starker Anstieg der radioaktiven Emissionen aus dem AKW durch Brennelement-Defekt

Pressemitteilung vom 01.11.2013

Aktionsbündnis Energiewende Heilbronn fordert Transparenz und sofortige Maßnahmen

Seit dem 26.10.2013 stieg die in die Luft „entsorgte“ Radioaktivität aus dem Block 2 des Atomkraftwerk Neckarwestheim massiv an, zeitweise bis auf das 23fache des Üblichen, und pendelt sich erst langsam wieder auf den „normalen“ Stand ein.

Seit 21.09. war das Kraftwerk GKN 2 für die jährliche Revision (u. A. Brennelement-Wechsel) heruntergefahren und wurde dann am 12.10. wieder hochgefahren. Am 23.10. veröffentlichte die EnBW eine Pressemitteilung [1] man plane gemäß „ihrem sicherheitsgerichteten Verhalten“ eine Reaktorabschaltung wegen Verdacht auf Brennelementdefekt. Es gibt hierzu keinerlei weitere Informationen oder Warnungen, weder von der EnBW noch von der Atomaufsicht.

Undichtigkeiten von Brennelementen können z.B. Ergebnis von hitze- oder korrosionsbedingten Verformungen der Brennelemente sein. Verformungen können sogar dazu führen, dass sich Brennelemente verklemmen. Das Problem ist anscheinend aus Sicht der EnBW so gravierend, dass sie den Reaktor heruntergefahren haben, um die Sache zu prüfen und nach dem defekten Element zu suchen.

Konkrete Zahlen GKN 2 gibt üblicherweise pro Stunde Edelgase mit einer Aktivitätsrate von ca. 310 Millionen Becquerel ab (der stillgelegte Block 1 meistens noch ein paar Prozent mehr). Am Anfang der Revisionen, also bei Öffnen des Reaktordruckbehälters, stieg diese Menge in der Vergangenheit meistens auf etwa die doppelte Höhe. Aktuell zeigte sich am 26.10., mutmaßlich nach dem Öffnen des Druckbehälters, ein anhaltender Anstieg auf etwa das Vierfache und am 27.10. sogar auf das 23fache, nämlich bis 7,244 Milliarden Becquerel pro Stunde. [2]

Wir sehen darin den Beweis, dass tatsächlich ein Brennelementschaden bestand. Der Zeitpunkt lässt vermuten, dass ein Fehler bei der Revision dazu geführt haben könnte.

Hintergrund Das Atomrecht erlaubt AKW-Betreibern ein ständiges Hinaus blasen von radioaktivem Material (Gase, Aerosole, Partikel) über die an jedem Standort extra gebauten Giftkamine. Diese Erlaubnis missachtet das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit der Anwohner. Der Trick besteht in der Festlegung hoher „Grenzwerte“ zum Schutz des AKW-Betriebs. Die durch die Kinderkrebsstudie nachgewiesene äußerst hohe Wahrscheinlichkeit für vermehrte Krebsentstehung in der Nähe von AKWs dürfte hauptsächlich von dieser Freisetzung radioaktiver Stoffe kommen. „Selbst die massive Erhöhung insbesondere am 27.10. ist noch von den laschen Tages- und Jahresgrenzwerten gedeckt“, beklagt Franz Wagner vom Aktionsbündnis Energiewende Heilbronn, „Es ist ein Skandal. dass der Gesetzgeber in Form der Grenzwerte quasi festlegt, wie viel Krebs ein AKW erzeugen darf. Diese amtliche Verseuchungserlaubnis gilt auch anschließend für stillgelegte AKWs wie GKN Block 1 und erst recht für die schmutzigen Abrissarbeiten.“

Forderungen „Es darf nicht sein, dass das Umweltministerium und die EnBW hier vertuschen und verharmlosen“ kritisiert Daniel Knoll vom Aktionsbündnis Energiewende das Land und den Betreiber:

„Warum wurde die Bevölkerung nicht vor der absehbaren Radioaktivitätssteigerung gewarnt? Hier geht wohl doch Profit vor Sicherheit.“

Wir fordern sofortige Aufklärung, Schadensbegrenzung und Vorsorge:

  • Wie viel und welches radioaktive Material wurde insgesamt zusätzlich in die Umwelt abgegeben und wann?
  • Wie viele Brennelemente sind defekt? Neue oder schon ältere? Uran- oder Plutonium-Brennelemente (MOX)?
  • Was ist die Ursache des Defektes?
  • Sind Form und Stabilität des oder der beschädigten Brennelemente beeinträchtigt?
  • Gab es erhöhte Korrosion?
  • Wie ist die radioaktive Mehrbelastung des Wassers im Primärkreislauf einzuschätzen und welche Folgen hat diese?
  • Welche Maßnahmen wurden zur Behebung getroffen?
  • Welche Maßnahmen werden zur Vorsorge gegen Wiederholung ergriffen?
  • Warum wurde der mutmaßliche Brennelementeschaden noch nicht veröffentlicht?
  • Warum ist bisher keine Einstufung als meldepflichtiges Ereignis erfolgt?
  • Ist es zu verantworten, dass das Land gleichzeitig Besitzer und Aufsicht der EnBW ist?

Es gibt keinen Bedarf mehr für den Weiterbetrieb der AKWs. Dieser ist unverantwortlich und muss sofort beendet werden. Jeder weitere Tag bedeutet: mehr Gefahren, mehr freigesetzte radioaktive Stoffe, noch größerer Müllhaufen bei Abschaltung und Abriss. Schluss jetzt!

[1] http://www.enbw.com/unternehmen/presse/pressemitteilungen/presse-detailseite_45718.html
[2] www.um.baden-wuerttemberg.de/servlet/is/71644/kurven_gkn2_abluft.csv