Stromversorgung der Zukunft: Atomstrom oder 100% Erneuerbar?

Podiumsdiskussion mit den Landtags-KandidatInnen am 18.02.2011 in der VHS Heilbronn

Zum Freitagabend, den 18. Februar, luden das Aktionsbündnis Energiewende Heilbronn, die Lokale Agenda 21 und die Volkshochschule Heilbronn zu einer Podiumsdiskussion mit den Heilbronner Landtagskandidaten zum Thema „Stromversorgung der Zukunft: Atomstrom oder 100% Erneuerbar ?“ in das VHS Forum ein.

In einer 15 minütigen Einführungspräsentation des Energiewendebündnisses zu Klimaveränderung, Atomenergie und Energieversorgungsmöglichkeiten der Zukunft wurde aus Studien internationaler Organisationen, deutscher Ministerien und Gutachten faktenreich zitiert.

Getragen von der agilen Moderation des Heilbronner BUND-Regionalgeschäftsführers Gottfried May-Stürmer kamen alle anwesenden 6 Kandidaten zu Wort: Sie wurden gleich mal mit der Eingangsfrage überrascht, welchen Anteil an erneuerbarer Energie sie bis zum Ende der Wahlperiode 2016 im Lande anstreben und bis wann 100% erreicht sein soll?

Die Reihe begann beim Kandidaten der CDU, Herrn Alexander Throm, der sich zu 20% bis 2016 bzw. 100% bis 2050 bekannte, nur knapp gefolgt von Herrn Rainer Hinderer (SPD) 20%+x bzw. 2050. Unentschieden gab sich Herr Tobias Stöckl von der Piratenpartei mit 6% Steigerung pro Jahr, aber einem späten Finish auch erst bis 2050. Mutiger schon waren Frau Susanne Bay von den Grünen und Frau Elke Ehinger von der Linken mit über 20% in 5 Jahren und den 100% in 2040. Am optimistischsten gab sich der Kandidat der ÖDP, Herr Rainer Graf, der in 5 Jahren bereits 50% und eine komplette Umstellung in 2020 erreicht haben möchte.

Bemerkenswert: Keiner der Kandidaten stellte die Berechtigung dieser Fragestellung in Abrede! Die weiteren lebhaften Stellungnahmen und  Diskussionen rankte sich um drei Kernfragen und förderte denn doch erhebliche Unterschiede in den Positionen der Kandidaten zutage:

  • Wie kann solch ein Übergang in der Energieversorgung erreicht werden?
  • Welche Rolle spielen die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke und das ungelöste Atommüllproblem?
  • Was kann man konkret in Heilbronn für die Energiezukunft tun?

Die ÖDP verwies für ihre extrem ehrgeizigen Ziele mehrfach auf eine verbesserte Nutzung vorhandener Energie, wie Wind, Wasser und Biogas und eine Konfliktlösung durch sorgfältige Standortauswahl, was aber trotz Nachfrage nicht konkreter beschrieben werden konnte.

Die CDU-Position basierte vor allem auf der Einschätzung, dass bei Umsetzung der ursprünglich geplanten Abschaltung aller AKW bis 2020 die regenerativen Energien dies nicht auffangen könnten und Stromversorgung, Umweltschutz und Preisstabilität nicht sicherzustellen seien. Die Laufzeitverlängerung der AKW bis ca. 2040 ergäbe sich daraus zwangsläufig, um den Import von Atomstrom aus Frankreich und den Bau neuer Kohlkraftwerke zu verhindern.

Die SPD schätzte diese Situation ganz anders ein, nach Auffassung von Herrn Hinderer kann der ursprüngliche Atomkonsens sehr wohl funktionieren und umgesetzt werden, dem ja seinerzeit auch die verantwortlichen Energieunternehmen zugestimmt hatten. Er betonte drei Maximen der Energieversorgung: Versorgungssicherheit, Umweltschutz und die Wettbewerbsförderung.

Frau Bay (Grüne) hob die praktische Komplexität der Energiefrage hervor: Es reiche nicht aus, nur erneuerbare Energie zu erzeugen, sondern es gehe auch darum, Energieinzusparen und effektiver zu nutzen. Dies lässt sich auf die Kurzformel der „3E“ bringen. Sie verwies auf politische Lobbyarbeit der vier deutschen Energiekonzerne, die den gesellschaftlichen Konsens der 90er Jahre zum schrittweisen Atomausstieg in ihrem Eigeninteresse kippen konnten.

Die Linke unterstrich – nach ihrem möglichst frühzeitigen Ausstieg aus der Atomenergie befragt – den erheblichen Überschuss in der nationalen Stromproduktion, der laut Frau Ehinger etwa 8 AKW entspricht und eine sofortige Abschaltung vor allem der ersten AKW-Generation ermögliche.

Zum Thema Atommüll verwies Herr Throm (CDU) auf die Notwendigkeit einer weiteren Endlageruntersuchung für die große Menge des bereits existierenden Abfalls, bevorzugt in Gorleben, die zunächst den einschlägigen Fachleuten überlassen werden sollte. Die Grünen und die Linke meinen, dass gerechterweise überall in Deutschland nach einem geeigneten Endlager zu suchen ist, also auch in Baden-Württemberg, während der SPD-Kandidat mit eher staatsmännischer Geste die nationalstaatliche Verantwortung zur Endlagerlösung betonte, ohne auf eine genauer Lokalisierung Bezug zu nehmen.

Die Diskussion konkreter Aktivitäten in Heilbronn fokussierte sich auf die demnächst anstehende Vergabe der Konzession zur langfristigen Stromversorgung durch die Stadt. Auch hier gingen die Positionen weit auseinander: Während Herr Throm den früheren Verkauf der ZEAG an die EnBW als die beste Lösung für die Stadt bezeichnete und die anstehende Entscheidung mit einer fraktionseigene Anhörung vorbreiten will, sehen die Linke, die Grünen und die SPD den ZEAG Verkauf sehr kritisch und streiten vehement für mögliche Alternativen, die zunächst Gutachterlich im Auftrage des Gemeinderates untersucht werden sollen. Frau Bay konkretisierte hier detailliert : Die kommunale Daseinsvorsorge in der Strom- und Wasserversorgung gehört in die kommunale Hand, was das Eigentum am Stromnetz, eine eigene Stromproduktion und einen effizienzorientierten Wettbewerb einschließt, den es derzeit nicht gibt.

Somit landeten die globalen Themen der Klimaveränderung und Ressourcenerschöpfung am Ende der Debatten nicht unerwartet bei den praktischen, aktuellen Themen hier in der Region, was sich auch in den vielen Fragen der Besucher an die Kandidaten wiederspiegelte: Energiespeicherung, ZEAG-Verkauf und die ungenügende Windenergieförderung waren wesentliche Themen dabei.

Das Treffen klang aus mit der Möglichkeit, bei einem Viertele mit den Kandidaten persönlich in Kontakt zu kommen und die Diskussion fortzusetzen, wovon sehr rege Gebrauch gemacht wurde.

Th.Bergunde, Aktionsbündnis Energiewende Heilbronn, 22.2.2011