Klimaschutz geht alle an

Eine Zusammenfassung des Vortrags von Pfarrer Ulrich Koring am 03.02.2010 zum Auftakt der Veranstaltungsreihe "Ha(l)b-Acht-Kirche".

„Der Klimaschutz braucht globale gesetzliche Regelungen, damit das Klimaziel erreicht werden kann. Weil der Klimaschutz über Leben und Zukunft aller entscheidet und insofern jeden angeht, fängt er auch bei jedem Einzelnen an."

  1. Fakten und Zahlen zum Treibhauseffekt
     
  2. Klimapolisitsche Herausforderungen
     
  3. Wie wird der Energieverbrauch klima-neutral?
     
  4. Die Wende zur Nachhaltigkeit duldet keinen Aufschub.
     
  5. Der wachsende Strombedarf kan mit erneuerbaren Energien gedeckt werden.
     
  6. Ohne Bewusstseinswandel gibt es keine Energiewende
     
  7. Global denken - lokal handeln

1. Fakten und Zahlen zum Treibhauseffekt

Temperaturentwicklung.jpg

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Die Atmosphäre setzt sich zusammen aus

  • 78% Stickstoff
  • 21% Sauerstoff
  • 1% sogen. Treibhausgase
    (Argon 0,9; Helium 0,05; Methan 0,01; Kohlendioxyd 0,03; Fluorkohlenwasserstoff 0,01%)

Diese Gase bilden in ca. 15km Höhe einen Strahlungsschirm: Sie regulieren die Sonnen-Einstrahlung und Wärme-Rückstrahlung und gewährleisten eine dem Leben dienliche Globaltemperatur; ohne die schützende Wirkung der Treibhausgase läge die Erdtemperatur bei –18 Grad. Der Anteil von CO2 an den Treibhausgasen betrug über Tausende von Jahren konstant drei Hundertstel (bezogen auf die Atmosphäre drei Zehntausendstel).

Neben den Treibhausgasen spielen die Schwebstoffe (Aerosole) eine große Rolle bei der Veränderung des Klimas. Diese Stäube rühren her von Wüsten, Vulkanausbrüchen, von Pflanzen und Lebewesen, sogar Salzpartikel aus dem Meerwasser sind dabei. Ein Teil der Schwebstoffe absorbiert Strahlung, ein Teil verstärkt Strahlung. Sie haben eine kurze ‚Verweildauer’.

Zunahme von CO2

In den letzten 50 Jahren ist der Anteil des CO2 auf 0,04% angewachsen, Tendenz steigend.
Die Ursache ist die vermehrte Verbrennung von Öl, Gas und Kohle sowie die Abholzung von Wäldern. Kohlendioxyd ist langlebig, nach 1.000 Jahren schwindet es auf die Hälfte des Vorkommens.

Erderwärmung

Mit der Zunahme von Kohlendioxyd nimmt auch die Wärmestrahlung in der Troposphäre zu. Die teils kühlende Wirkung von Aerosolen maskiert die Erwärmung kurzfristig auf 1 Grad. Nach Ende des Kühleffektes und durch weitere Zunahme von Kohledioxyd steigt die Temperatur. Diese Entwicklung ist, einmal in Gang gesetzt, nicht mehr zu beeinflussen, d.h. unumkehrbar.

Die Grafik zeigt den Anstieg der Temperatur in den letzten 130 Jahren und den möglichen weiteren Verlauf.

Quelle: Sondergutachten des Wiss. Beirats für die Bundesregierung zur Globalen Umweltveränderung

2. Klimapolitische Herausforderungen

die Erwärmung auf 2 Grad zu begrenzen:
Eine stärkere Erwärmung würde verheerende Auswirkungen zur Folge haben.

  • Erlebbare Auswirkungen in der Witterung:
    häufigere Stürme, heftigere Niederschläge, längere Trockenzeiten. Polare wie äquatoriale Luftströmungen dehnen ihren Einfluss auf die ‚gemäßigten Breiten’ aus.
     
  • Wasserhaushalt:
    Eislager schmelzen, Meeresspiegel steigt, Flüsse, Seen, Meere werden wärmer.
    Versauerung der Meere. Kohlensäure stört Korallen, Muscheln, Schnecken, Plankton.
     
  • Vegetationszonen verschieben sich:
    Tier- und Pflanzenarten gehen verloren...
     
  • Kippelemente:
    Abreißen der Meeresströmungen, Kollaps des Regenwaldes, Veränderungen im Monsunsystem, Schmelzen der polaren Eislager

3. Wie wird der Energieverbrauch klima-neutral?

CO2-Minderungsraten.jpg

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  • Klimaneutral leben bedeutet, nicht mehr emittieren, als natürliche Prozesse ausgleichen können.
    Mehr Emission ist unumkehrbar. Die Folgen sind irreversibel.
    Dem meistdiskutierten Vorschlag, wie das Ziel erreicht werden kann, liegt die Idee der Gerechtigkeit zugrunde: Jedem Mensch wird ‚von Natur aus’ ein CO2-Kontingent im Umfang von einer Tonne pro Jahr zugeschrieben – seine durchschnittliche CO2-Emission durch Verbrauch fossiler Energie soll rechnerisch an diese Obergrenze gebunden werden.
     
  • Pro-Kopf-Emission weltweit begrenzen auf 1 Tonne CO2 pro Jahr – das sind global 600 Mrd Tonnen. Im Weltdurchschnitt liegt die Emission derzeit bei 4 t CO2 pro Kopf und Jahr.
    Die durchschnittliche Emission pro Kopf und Jahr liegt in den USA bei 20 t, in Deutschland bei über 10 Tonnen. Sie muss binnen einer Generation auf ein Zehntel reduziert werden. Der durchschnittliche Verbraucher darf langfristig pro Kopf und Jahr nicht mehr CO2 emittieren, als derzeit ein Afrikaner oder Inder emittieren: eine Tonne CO2.
     
  • Weltweit müssen die CO2-Emissionen
    in den Industrieländern
         schnell gesenkt und dauerhaft begrenzt werden,
    in den Entwicklungsländern
         durch den Einsatz klimaverträgliche Technologien von vornherein vermieden werden.

Dazu ist nötig:

  • Welt-Klima-Vertrag – nur eine gesetzliche Regelung und ethische Verpflichtung für alle kann die Lebensbedingungen auf der Erde bewahren.
     
  • Welt-Klima-Budget – die Belastbarkeit der Atmosphäre mit CO2 hat Grenzen. Um die Erwärmung auf maximal 2 Grad einzuschränken, muss die jährliche Emission von CO2 drastisch begrenzt werden.
     
  • Welt-Klima-Bank – der Prozess der „Kohlenstoff-Abrüstung“ muss gesteuert werden. Die einzelnen Länder der Erde müssen sich gegenseitig dabei helfen. Die Klimabank überprüft die nationalen Anstrengungen zur CO2 - Minderung, regt Verbesserungen an, begleitet den Transfer von Emissionsrechten, überwacht die zweckdienliche Investition der Entgelte.


Kriterium ist die Klima-Gerechtigkeit: alle Menschen / Staaten haben nicht nur gleiches Recht auf Emission, sondern Anspruch auf gleichen Schutz ihres Lebens.

Nahziel: Trend-Umkehr erreichen bis 2015 / max. 2020.

Je länger im bisherigen Umfang CO2 emittiert wird, umso rascher muss bis 2050 die Absenkung verlaufen. Die politische und technologische Umstellung wird dadurch um so schwieriger.

Deshalb ist es erforderlich, frühzeitig mit der Absenkung zu beginnen, um den Prozess erfolgreich zum Abschluss zu bringen. In den Industrieländern sollte der Gipfel der Emissionen 2015 überschritten wer-den, in den Schwelleländern spätestens 2020.

Quelle: Sondergutachten des Wiss. Beirats für die Bundesregierung zur Globalen Umweltveränderung

4. Die Wende zur Nachhaltigkeit duldet keinen Aufschub.

  • Über 100 Länder müssen ihre Emissionen rasch und drastisch senken und ihre Wirtschaft auf den Einsatz von erneuerbare Energie umstellen.
    65 Entwicklungsländer brauchen sofortige Hilfe bei der Neuorganisation ihrer Wirtschaft und Lebensweise, damit sie aus Abhängigkeit befreit und vor Fehlentwicklung bewahrt werden.
     
  • Was hindert noch die Entwicklung zur Nachhaltigkeit?
    Die Interessen der Führungskräfte in der Wirtschaft sind auf den kurzfristigen Gewinn, die Interessen der Politik auf die Stärkung der nationalen Wettbewerbsfähigkeit gerichtet. Konsequent werden die Gewinn mindernden Faktoren (Ausgaben für Umweltschutz, Arbeiterschutz, Entsorgung von Schadstoffen) auf die Umwelt, sprich auf die Atmosphäre abgewälzt.
     
  • Globale Aufgabe:
    Politik und Wirtschaft – und ebenso die Konsumenten - haben zu lernen, dass ein langfristiges Florieren der Wirtschaft und nationalen Wohlfahrt nur möglich ist, wenn die Bewahrung der natürlichen Lebensgrundlagen als oberstes Ziel von allen anerkannt und verfolgt wird.
     
  • Die ungebremste Fahrt in den Klimawandel bedeutet:
    Wohlfahrtsverlust, wirtschaftliche Einbußen, nicht versicherbare Schäden, Sicherheitsrisiko, Verteilungskonflikte, Zunahme an Gewaltbereitschaft.
     
  • Gemeinsame Anstrengung ist nötig, um den Wettlauf gegen die Zeit zu gewinnen.
    Emissions-übertragung: Länder mit geringerer Emission können den Ländern mit derzeit hoher Emission ihre ‚Reserve’ zur Nutzung anbieten. Das ermöglicht den Ländern mit hoher Emissionsrate, ihre Industrie kontinuierlich vom Verbrauch fossiler Energie zu lösen; den Energiewechsel binnen weniger Jahre zu leisten ist unrealistisch. Der Erwerb von Emissionsrechten ist an ein Entgelt gebunden, das Entwicklungsländer befähigen soll, in nachhaltige Technologien zu investieren.
    Entwicklungsländer würden beim Einsatz fossiler Energie, ohne die Emissionsübertragung zu nutzen, noch 30 Jahre brauchen, um ihre Wirtschaft und Infrastruktur zu modernisieren. Bei Einsatz der Investitionshilfen können sie mit der Umstellung ihrer Wirtschaft früher beginnen, daraus Wachstumseffekte generieren und die Energiewende in kleineren Schritten realisieren.

Quelle: Sondergutachten des Wiss. Beirats für die Bundesregierung zur Globalen Umweltveränderung

5. Der wachsende Strombedarf kann mit erneuerbaren Energien gedeckt werden.

  • Global ist die Stromerzeugung mit 40% an der CO2-Emission beteiligt.
     
  • Global wird sich der Strombedarf bis 2030 vermutlich verdoppeln im Zuge fortschreitender Technisierung in allen Ländern, insbesondere aufgrund wachsender Nachfrage von Strom für Elektromobilität, Klimaanlagen, Kommunikationstechnik.
     
  • Die Kernkraft kann diesen Mehrbedarf nicht decken. Derzeit sind über 400 Reaktoren weltweit am Netz, sie liefern 16% der Strommenge. Bei einer Steigerung des Bedarf um 200% müssten jährlich 25 neue Reaktoren (1,6GW Leistung) gebaut werden. Die Kosten sind immens, die Uranmenge vermutlich nicht zu beschaffen.
     
  • Sonne, Wasserkraft, Windkraft, Biogas können im Verbund schon bald den Energiebedarf vollständig decken: Kraft-Wärme-Kopplung und Elektromobilität bieten dazu Unterstützung und Ergänzung.
     
  • Dezentrale, erneuerbare Energien brauchen ein verbessertes Netz das Transport über große Distanzen ermöglicht, flexibel auf fluktuierende Einspeisung reagiert und sich am augenblicklichen Bedarf orientiert („intelligente“ Einspeisung).
     
  • Weiterentwicklung der Infrastrukturen braucht strategisches und proaktives Handeln und einen ordnungspolitischen Rahmen. Regierung und Verwaltung sind in der Pflicht
     
  • Dezentrale Energieversorgung + BürgerEngagement:
    der Einzelne, die Kommune, die Region haben ein Recht auf Selbstversorgung. Dezentrale Versorgung mit Strom (und Wasser) kann demokratisch kontrolliert und gestaltet werden.

6. Ohne Bewusstseinswandel gibt es keine Energiewende

  • Die Rede von der „Brückentechnologie“ verführt dazu, die bestehenden Versorgungsstrukturen zu erhalten, die Umstellung zu verlangsamen, als ob das Zeitalter der erneuerbaren, klimaverträglichen Energie mit einem späteren Zug ankäme.
     
  • Die Umstellung von Industrie und Alltag, so bald als möglich ausschließlich erneuerbare Energie zu nutzen, ist eine große Herausforderung, sowohl technologisch und ökonomisch als auch sozial und ethisch. Seit dem Gipfel von Rio de Janeiro 1992 sind 18 Jahre weithin ungenutzt verstrichen. Eine solche Frist zur Überbrückung haben wir nicht mehr.
     
  • Um binnen 20 Jahren unsere Wirtschaftsweise auf erneuerbare Energiequellen umzustellen ist ein breites Bündnis aus technischer Innovation, politischer Führung und gesellschaftlicher Beteiligung erforderlich.
     
  • Auf dem Markt entscheidet sich die Chance der Realisierung, doch aus der Vision, wie wir im Einklang mit der Natur leben können, erwächst die Motivation, unser Verhalten zu ändern.
    Dazwischen arbeitet – Impuls gebend, regulierend, verstärkend – die politische Führungskraft.
    Einsicht + Entscheidung + Engagement  =  Energiewende
    Klimaverantwortung kann nur im globalen Kontext gelingen:
    klimapolitische Maßnahmen stehen im Verbund mit
         Neuausrichtung der Finanzmärkte,
         Aufbau fairer Strukturen im Welthandel,
         ökologischer Ausrichtung der Entwicklung

7. Global denken - lokal handeln

  • Für Heilbronn gilt: Zusammenspiel von
    Ordnungspolitik
    Bewusstseinsbildung
    Entscheidungsprozessen
    Mitverantwortung der Bürgerschaft
    Engagement in Pilotprojekten.
     
  • Bündnis Energiewende-BUND-Kirche sucht Zusammenarbeit mit der Stadt Heilbron
     
  • Ökologische Sensibilisierung weiter pflegen bei Konsumenten, Industrie, Verwaltung, die Einbindung in Gewohnheiten, Konkurrenzdruck, Regelungen, traditionelle Parteiinteressen kann betriebsblind machen
     
  • Pfadwechsel:
    der Übergang zur klimatauglichen Wirtschaft erfordert komplexes Lernen.
     
  • „Zukunftstaugliche“ Bürger orientieren sich am langfristigen Nutzen.
    Deshalb bilden sie eine Bürger-Energie-Genossenschaft in der Region Heilbronn-Franken.
     
  • Pioniere des Wandels gesucht, die mutig vorangehen, Vorbild sind, Ideen leuchtend vorantragen, beispielhaft handeln.